Spielstätten-Porträt Staatsoperette Dresden

Heitere Millionen

Die Staatsoperette Dresden steht vor ihrer letzten Saison in der Diaspora – 2016 zieht das einzige deutsche Operettentheater in die Stadtmitte

© Karl-Ludwig Oberthuer

Noch lockt die Staatsoperette Besucher nach Altleuben ...

Eine lange halbe Stunde gondelt die Straßenbahnlinie 2 in die Dresdner Diaspora, bis sie, an zahllosen Plattenbau- und Villenvierteln vorbei, endlich im ehemaligen Fischerdorf ankommt. Altleuben heißt die Haltestelle pittoresker, als sie ist. Hier muss aussteigen, wer in den alten Ballsaal will, der nach dem Niedergang Altdresdens im Februar 1945 mehr schlecht als recht über sechs Jahrzehnte die große Operettentradition der Stadt erfüllen und am Leben erhalten musste. In den Nachkriegsjahren war dabei Pionierarbeit im besten Sinne nötig gewesen, um den besseren Tanzboden zu einem weit über die Stadtgrenzen hinaus geachteten Theater zu machen.

Doch nach und nach bröckelte das kleine Haus, wurde eng und renovierungsbedürftig. Die notwendigen Kosten gingen in die Millionen, so dass nach jahrelangem Streit endlich entschieden wurde – und das will in Sachsens Landeshauptstadt etwas heißen: 2016 zieht Deutschlands einziges selbstständiges Operettentheater in einen Neubau um. Keine fünf Gehminuten von Zwinger und Semperoper entfernt, wird unter dem Dach eines alten Kraftwerks eine neue, mit allen technischen Raffinessen ausgestattete Bühne geschaffen. Dabei entsteht für knapp 100 Millionen Euro nicht nur die Staatsoperette neu, sondern auch das Kindertheater Junge Generation – bisher ebenfalls eher unbemerkt an der Peripherie versteckt – erhält einen neuen zentralen Standort.

 

Dauerbrenner und selten gespielte Operetten

 

Eine solche Großinvestition ist wohl nur möglich in einer Stadt, die sich ihrer kulturellen Würde bewusst – und nicht vollends klamm ist. „Wobei der Neubau auch nicht möglich gewesen wäre, hätten nicht die Mitarbeiter jahrelang auf einen Teil ihrer Gehälter verzichtet“, betont Intendant Wolfgang Schaller voller Begeisterung. „Eine bessere Identifikation mit der eigenen Institution kann man sich nicht wünschen.“

 

Am Programm des Hauses, das sich ganz dem so genannten heiteren Fach widmet, wird sich trotz des Neubaus indes so schnell nichts ändern. Neben den Dauerbrennern Zarewitsch, Fledermaus und lustiger Witwe bestehen Zauberflöte, Verkaufte Braut und Evita gleichfalls jede Best-of-Prüfung – stolz ist man hier indes auch auf selten gespielte Strauß-Operetten wie Cagliostro in Wien. Und während Spielopern und Operetten mit viel Schlagsahne, Federboa und Balletteinlage das Publikum der guten alten Zeit locken, holen Musicals jüngere Fans ins Haus. Mögen hier auch keine hochwallenden Kunstansprüche zu Hause sein, professionell ist der Auftritt der Bühne schon jetzt im Vorort – und es besteht kein Grund anzunehmen, dies könnte sich im Zentrum ändern. Ganz im Gegenteil nähren die riesigen fünf Baukräne in Elbnähe den Optimismus – und die Motivation im Haus lässt sich ohnehin kaum mehr steigern.

 

Für jeden etwas: Unterhaltung auf hohem Niveau

 

Die Staatsoperette, die anders als Staatsschauspiel und Semperoper nicht vom Freistaat Sachsen, sondern von der Landeshauptstadt getragen wird, erfüllt die wichtige Funktion eines Basisanbieters: Mit fest angestelltem Orchester, Sänger- und Tänzerensemble wird fast täglich im Repertoirebetrieb gespielt, es gibt ein ausgedehntes Abonnementwesen, täglich steuern ganze Busse von Theaterbesuchern aus dem Dresdner Umland, aber auch von weiter her das Haus an. Sie alle nehmen die Ambition, Unterhaltung auf hohem Niveau zu machen, beim Wort – und kommen wieder: Wer sich in der Semperoper fehl am Platz fühlt, aber doch mehr will als leeres Geplänkel, ist hier richtig. Bleibt der Staatsoperette nur zu wünschen, dass sie diesen ihren Anspruch auch am neuen Standort hält.

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