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Porträt Pumeza Matshikiza

Kap der guten Stimmen

Märchenhafte Geschichten: Aufgewachsen in den Townships von Kapstadt, ist Pumeza Matshikiza heute ein Opernstar

vonMatthias Nöther,

Gar nicht so einfach, sich allein mit Fotos ein Bild von dieser Sopranistin zu machen. Fast scheint es, als wäre sie auf jedem Bild eine andere Person – starkes Make-Up sorgt für diese Metamorphosen ebenso wie wilde Variationen ihres krausen schwarzen Haars. Ein Bühnenmensch im Kostüm, eine Frau ohne Eigenschaften, eine Verwandlungskünstlerin?

Auf die Frage, ob wir das Interview auf Englisch oder Schwäbisch führen wollen, löst sich dann mit einem Mal der Zauber: Pumeza Matshikiza lässt sich in den Konferenzsessel fallen – und in ihrem herzhaften Lachen liegt Persönlichkeit genug. Der Scherz müsse, so findet sie, unbedingt gleich auf Facebook gepostet werden. Zwar sei sie nicht oft in dem sozialen Netzwerk unterwegs, aber in ihrem Job müsse man sich dort eben ab und zu bemerkbar machen. Eher leise und sanft klingt nun ihre Stimme: Jenseits ihres Lachens entspricht Matshikiza so gar nicht dem landläufigen Klischee einer Operndiva, statt lautstarkem Tremolo wägt sie ihre Worte wohl ab.

Schockmomente in der modernen Opernregie

Geboren 1978 in Kapstadt, ist die Südafrikanerin 2011 einem Engagement an die Staatsoper in Stuttgart gefolgt – heute gilt sie dort als Publikumsliebling. Dabei seien die ausgefeilten Konzepte der Stuttgarter Opernregie für sie zunächst ein Schock gewesen: „Wenn ich mir bei Micaëla in Carmen bisher eine lebenslustige Person vorstellte, erfuhr ich jetzt, dass Micaëla in der Aufführung todtraurig, eher passiv sein soll. Ich lief von der ersten Probe durch den Schlossgarten nach Hause und dachte: Wie kriege ich das hin?“ Und doch ließ sie gerade dieses Nachdenken zur internationalen Opernsängerin, vielleicht sogar zum Star wachsen. „Es war eine völlig neue Herausforderung, denn es bringt einen dazu, schneller zu denken, flexibel zu sein – wenn man das kann, kann man eine Partie quasi überall singen.“

Internationalität hatte für Pumeza Matshikiza schon früh begonnen: Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie in einem Township in Kapstadt, studierte dann mit einem Stipendium in London. Heute hat sie außer zu ihrer Mutter nur noch wenige Verbindungen nach Südafrika, stattdessen sind es nun Konzerte, die sie ans Kap der Guten Hoffnung führen. Doch vielleicht gerade deshalb ist ihr Blick auf das Land scharf und wachsam: „Wenn ich ankomme, nehme ich wahr, was sich alles verändert hat – vieles zum Guten. Aber in Kapstadt sehe ich immer noch, dass die Menschen nicht an die Informationen gelangen, die ihr Leben verbessern könnten“, erzählt sie. „Besonders bricht es mir das Herz, wenn ich dort junge Leute sehe: Sie verlieren alle Chancen, wenn sie nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden.“

Das Interesse der Sängerin an Politik ist riesig – und so ist es auch kein Zufall, dass ihre erste CD den Titel „Voice of Hope“ trägt und sich auf dem Album auch Lieder ihrer Heimat finden. „Wir sind die erste südafrikanische Generation, die viele Opernsänger hervorgebracht hat – diese Chance müssen wir nutzen und auch musikalisch etwas von unserem Land zeigen!“ Und mit Nachdruck fügt sie hinzu: „Ich bin stolz, aus dieser jungen Demokratie zu stammen.“

Doch mag Matshikiza in Stuttgart auch einen neuen Blick auf die Welt des Musiktheaters erfahren haben, singen möchte sie ausschließlich jene Rollen, die für ihre Stimme angenehm sind. Etwa die Gilda in Verdis Rigoletto: „Man kennt nur diese eine Arie, die sehr hohe Töne hat, aber wenn man sich die Partie näher anschaut, liegt sie eigentlich ganz angenehm.“ Vorlieben und Überlegungen hinsichtlich der eigenen Stimme, die sich natürlich ändern könnten: „Vielleicht passt eine Partie in fünf Jahren gar nicht mehr zu mir – ich mag es nicht, zu weit vorauszuplanen“, stellt sie pragmatisch fest. „Ich finde es spannend genug, wenn ich die nächsten zwei Jahre im Blick habe.“ Verwandlungen ihrer selbst – diesseits und jenseits der Bühne – wird Pumeza Matshikiza in dieser Zeit ohne Zweifel genügend vollführen.

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