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Porträt Festival MaerzMusik 2012

„Wir sind keine Fachmesse“

Das Neue Musik-Festival „MaerzMusik“ präsentiert klingende Kakteen und die Jubilare Wolfgang Rihm und John Cage

vonJakob Buhre,

Die Gunst des Berliner Publikums zu erlangen ist bekanntlich keine einfache Aufgabe, angesichts des breiten kulturellen Angebots der Hauptstadt. Noch weniger einfach erscheint es, mit zeitgenössischer Musik Säle zu füllen – doch stehen die Zeichen für die „MaerzMusik“ 2012 außergewöhnlich gut, schließlich geht das Festival für zeitgenössische Musik im elften Jahr seines Bestehens gleich mit drei prominenten Zugpferden ins Rennen.

Zum einen bilden die Jubilare John Cage (wäre im September 100 geworden) und Wolfgang Rihm (feiert am 13. März seinen 60.) einen Schwerpunkt des Programms, eine bemerkenswerte Konstellation: Cage, der Dinosaurier, der musikalische Ereignisse vor allem mit außermusikalischen Methoden und Zufallsoperationen herbeiführte und so eine ganze Epoche beeinflusste und – beinahe entgegengesetzt – Rihm, der mit subjektiven, höchst expressionis-tischem Ausdruck in seiner Musik zu einem der heute meistaufgeführten deutschen Komponisten wurde. Während Rihm mit sechs Werken – darunter eine Uraufführung – sowie bei einem Künstlergespräch am 22. März präsent ist, kommen von Cage sage und schreibe 27 Kompositionen zur Aufführung, in einem Fall auch an ungewöhnlichem Orte: Im Botanischen Garten in Berlin-Dahlem kann am 25. März dem Stück Branches von 1976 gelauscht werden, bei dem Kakteen berührt, gezupft und „gespielt“ werden.

Neben Cage und Rihm dürfte sich auch der Amerikaner La Monte Young als Publikumsmagnet erweisen. Der 1935 geborene Avantgardist gilt gemeinhin als der Begründer der Minimal Music, bereits in den 50er Jahren experimentierte er mit langen Tondauern und mathematischer Kompositionsweise, später suchte er die Nähe zur Fluxus-Bewegung, schuf Licht-Klanginstallationen wie das sogenannte Dream House, mit dem er 1972 auf der Documenta in Kassel gastierte. In der Villa Elisabeth wird er gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Marian Zazeela und dem „Alap Raga Ensemble“ an drei Abenden eine modifizierte Form klassischer indischer Musik zu Gehör bringen.

Doch nicht nur etablierte, sondern auch Nachwuchs-Komponisten stehen auf dem Programm, mit sieben Auftragswerken und 13 Uraufführungen. „Wir wollen bestimmte Dinge möglich machen, die anderswo schwer oder gar nicht zu ermöglichen sind und natürlich auch jungen Künstlern ein Schaufenster bieten,“ erklärt Matthias Osterwold, Gründer und Leiter der „MaerzMusik“ im Gespräch mit concerti. Zugleich betont er den Charakter des Publikumsfestivals: „Wir sind keine hochspezialisierte Fachmesse, uns ist auch die Breitenwirkung und eine Verzahnung mit der Stadt und ihrem kulturellen Organismus sehr wichtig.“ Durch den Standort sehe er inzwischen auch immer weniger die Gefahr, dass zeitgenössische Musiker nur für ein Fachpublikum komponierten: „In Berlin ist eine sehr offene und lebendige Szenerie entstanden, auch im Publikum, wodurch die Präsenz Neuer Musik in Konzertprogrammen – selbst in konventionellen Einrichtungen – eine Selbstverständlichkeit gefunden hat, die wir früher nicht hatten. Die Neue Musik befindet sich in dieser Stadt nicht mehr in einer isolierten Lage.“

Ähnliches konstatiert auch Wolfgang Rihm, der sich kurz vor Redaktionsschluss per Fax bei concerti meldete. „Junge Komponisten stehen vor der Entscheidung, ob sie lieber von Kritikern in Fachzeitschriften gelobt werden wollen, oder ob sie sich bzw. ihrer Kunst zutrauen, vor einem offenen und interessierten aber vielleicht nicht fachspezifisch geschulten Hörer zu bestehen. Manchmal ist ja sogar beides möglich.“ Rihm, dessen erfolgreiche Karriere in den 70er Jahren bei den Donaueschinger Musiktagen ihren Lauf nahm, sieht auch heute noch die Sprungbrett-Funktion eines Festivals wie „MaerzMusik“: „Nur, ob die Komponisten auf der Stelle springen, ob sie überhaupt (und wohin?) springen – das hängt dann von so altmodischen Qualitäten wie Begabung und Durchhaltevermögen ab.

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