Startseite » Interviews » „Natürlich ist es kein Wunschkonzert“

Interview Axel Kober

„Natürlich ist es kein Wunschkonzert“

Axel Kober hat sich als Generalmusikdirektor in Duisburg und Düsseldorf so machen Traum erfüllt – und erwies sich in den letzten Monaten als flexibler Krisenmanager.

vonJohann Buddecke,

Eigentlich hätte Axel Kober in diesem Sommer in Bayreuth den Lohengrin und den Tannhäuser dirigieren sollen. Stattdessen galt es, aufgrund der Corona-Krise für die Duisburger Philharmoniker und die Deutsche Oper am Rhein, einen komplett neuen Spielplan zu entwickeln.

Seit 2017 sind Sie als Chefdirigent der Duisburger Philharmoniker tätig, letztes Jahr wurden Sie zum Generalmusikdirektor ernannt. War das Ihr angepeiltes Ziel?

Axel Kober: Ich bin seit 2009 GMD der Deutschen Oper am Rhein. Eines der beiden Hausorchester sind die Duisburger Philharmoniker, die zwei Drittel ihrer Dienste in der Oper haben. Daher war ich gewissermaßen auch der GMD der Philharmoniker. Ich bin mit allen organisatorischen und personellen Aufgaben betraut und arbeite mit jenen Personen zusammen, die sich um das künstlerische Vorangehen des Orchesters kümmern. Ich kann jetzt noch intensiver mit dem Orchester im Konzert zusammenarbeiten und mehr Einfluss auf die Konzertplanung nehmen, um das Orchester besser in der Stadt zu repräsentieren.

Aber Ihre neue Position bedeutet Ihnen schon etwas?

Kober: Selbstverständlich, weil ich für dieses Orchester sehr gerne Verantwortung übernehme! Ich war nie ein Dirigent, der einfach nur herumreist und seine Abende dirigiert. Es geht mir um Langfristigkeit. Nach neun Jahren ist es zudem nicht selbstverständlich, dass ein Orchester die Zusammenarbeit nochmals vertiefen möchte. Und es bedeutet mir viel, jetzt im Konzertbereich neue Impulse geben zu können.

Warum wurde der neue Posten dann geschaffen?

Kober: Es kommt ja immer drauf an, wie diese Positionen gestrickt sind. Was heißt Chefdirigent, was heißt GMD? Wo der Unterschied liegt, hängt davon ab, was im Vertrag steht und wie man die Verantwortung für sich selbst definiert. Insofern macht es schon Sinn, im Laufe der Zeit zu einer vertieften Zusammenarbeit zu kommen.

Im März brach die Corona-Krise herein. Vermutlich waren Sie daher in den letzten Monaten auch Krisenmanager.

Kober: Absolut! Erst mal zogen wir die Notbremse. Nach einer kurzen Schockstarre haben wir dann aber angefangen zu planen. Es war unglaublich mühsam, sich durch die Schutzverordnungen zu wälzen und die Veränderungen wahrzunehmen, die täglich auf einen herniederprasselten. Zudem mussten wir einiges, was wir bereits erarbeitet hatten, wieder verwerfen und neu überdenken, bis wir Ende ­April mit den Düsseldorfer Symphonikern endlich wieder in der Tonhalle auf der Bühne stehen konnten. Dieses Konzert fand als Livestream und ohne Publikum statt, aber zumindest haben wir wieder gemeinsam musiziert. Kurz darauf durften wir für knapp 400 Personen im Publikum spielen. Für uns war das sehr wichtig, auch um zu prüfen, wie es im Herbst weitergehen sollte.

Wie ist die Situation an der Deutschen Oper am Rhein?

Kober: In der Oper haben wir einen Alternativspielplan mit kleineren Formaten und Stücken entwickelt, den wir jetzt ab September anbieten. Es hätte keinen Sinn gemacht, das bestehende Repertoire krisentauglich zu machen. Ich möchte keine Inszenierungen so eindampfen, dass man sich nicht mehr nahekommt. Außerdem möchte ich eine „Madama Butterfly“ auch nicht mit drei ersten Geigen spielen. Wir haben uns nun für Formate entschieden, die wir eigens für diese Zeit kreieren. Die Kunst ist schließlich auch gefordert, eine Antwort auf diese Krise zu finden.

Kein leichtes Unterfangen, in der Kürze der Zeit einen Ersatzspielplan zu entwickeln, oder?

Axel Kober
Axel Kober

Kober: Es ist äußerst kompliziert. Am Anfang war es sogar noch schwieriger als jetzt, weil wir uns damals nicht in den Entscheidungsgremien treffen konnten und alles per Videokonferenz besprechen mussten. Weiter galt es, rechtliche Fragen und Verträge zu beachten. Das Entscheidende ist, als Leitung irgendwann den Mut zu haben und zu sagen: So machen wir das jetzt, wir entwickeln einen Plan B und dann stehen wir dazu. Nun haben wir einen solchen Plan, den wir mit den bestehenden Corona-Schutzverordnungen durchführen können. Zudem können wir, je nachdem, was zulässig sein wird, mehr oder weniger Publikum in die Säle lassen. Trotz allem war das ein extrem kreativer Prozess. Wir haben sehr viel diskutiert. Das ging fast ein bisschen zu wie zu Studienzeiten.

Wie lief die Zusammenarbeit mit der Politik?

Kober: Ich muss sagen, die Kommunikation war nicht das Problem. Das Gesundheitsamt hat sehr gut mit uns zusammengearbeitet, die einzelnen Gefährdungsanalysen wurden gemeinsam durchgeführt. Allerdings sind die zuständigen Behörden von den Problemen in derselben Form überrannt worden wie wir. Auch die haben täglich mit neuen Verordnungen zu tun. Letztendlich sind die örtlichen Behörden ebenso an die Leine der übergeordneten Landes­politik gebunden wie wir.

Trotz aller Mühen wird sich ein Ersatzspielbetrieb sicherlich nicht rentieren …

Kober: Wir haben einen Kulturauftrag, und solange wir das tun können, müssen wir ihn auch ausführen. Natürlich muss man in Sachen Personalkosten und Ausstattungen den Gürtel enger schnallen. Wir haben nun Produktionen geplant, die wirklich kaum Budget benötigen. Unsere Spielleiter werden inszenieren, Bühnenbilder und Kostüme sind aus dem Fundus. So bekommt das Theater natürlich ein gewisses Korsett, was aber für die Kreativität nicht unbedingt verkehrt ist.

Wie haben Sie während des Lockdowns Kontakt zu Ihrem Publikum gehalten?

Kober: Wir haben sehr viel online gemacht, zum Beispiel einen Talk zum „Ring“-Zyklus an Ostern. Bei den ersten Konzerten in der Mercatorhalle in Duisburg vor jeweils hundert Menschen haben wir die Abonnenten eingeladen, die uns in dieser Zeit finanziell unterstützt haben, indem sie ihre Karten nicht zurückgegeben hatten.

Sie haben mit Düsseldorf und Duisburg ein zweigeteiltes Publikum. Wie gelingt der Spagat?

Kober: Es ist unglaublich interessant und immer wieder neu, weil beide Häuser und beide Orchester sehr verschieden sind. Wenn wir eine Premiere in Düsseldorf herausbringen, dann kommt dieses Stück normalerweise nochmal als Premiere in Duisburg und umgekehrt. Außer dem Bühnenbild ist es dann aber eine ganz neue Produktion mit anderer Sängerbesetzung. Gerade im letzten Jahr, als wir den kompletten „Ring“ fertiggestellt hatten, mussten beide Orchester das Werk komplett einstudieren. Ich wollte auf keinen Fall das Rheingold nur mit den Duisburgern und die Walküre nur mit den Düsseldorfern machen. Es ist wichtig, dass beide Orchester sich in ihren Städten präsentieren.

Fährt das eine Publikum in das andere Haus und umgekehrt?

Kober: Nein, eigentlich nicht. Es gab mal einen Versuch, ungefähr vor fünfzehn Jahren, als „Die Trojaner“ an einem Abend in beiden Häusern gespielt wurden. Damals hatte man das Publikum in Bussen nach dem ersten Teil in die andere Stadt gebracht. Das hat nicht wirklich funktioniert.

Werden Sie sich als GMD eigene Wünsche erfüllen?

Kober: Natürlich ist das kein Wunschkonzert. Ich kann schließlich nicht das ganze Haus nach meinen Vorstellungen tanzen lassen (lacht). Es gibt viele Rahmenbedingungen, die wir im Team mit Generalintendant Christoph Meyer und unserem Operndirektor Stephen Harrison besprechen. Dabei gilt es vorerst immer das Ensemble zu pflegen, die herausragenden Sänger am Haus zu halten und auch deren Wunschpartien zu berücksichtigen. Aber klar, es gibt auch Projekte, die ich wahnsinnig gerne machen möchte. Der „Ring“ war so ein Herzensprojekt. Vor allem auch in dieser Sängerbesetzung und gemeinsam mit Regisseur Dietrich Hilsdorf. Eine großartige Zusammenarbeit! Auch der „Wozzeck“, den ich mit Stefan Herheim gemacht habe, war mir wichtig. Das sind allerdings immer Sachen, die man fünf Jahre im Voraus plant. Aber ab und zu muss das einfach sein.

Album Cover für Wagner: Das Rheingold

Wagner: Das Rheingold

Duisburger Philharmoniker, Axel Kober (Leitung) Avi

Termine

Auch interessant

Rezensionen

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!