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Porträt Christian Schmitt

Weniger Ski-Unterwäsche

Christian Schmitt reist viel und spielt an den schönsten Orgeln der Welt. Inzwischen hat der Organist jedoch einen Grund, öfters daheim zu sein

vonMaximilian Theiss,

„Schauen Sie mal, da vorne steht Jan Josef Liefers!“ Oft wirkt es so, als könne Christian Schmitt sein Glück gar nicht fassen. Dabei ist es natürlich oft kein Glück, von dem der Organist erzählt, sondern schlicht das Ergebnis harter Arbeit gepaart mit außerordentlicher Begabung. Doch Prahlerei ist ebensowenig seins wie betonte Bescheidenheit. Also freut er sich ganz einfach, wenn er begeistert von seinen frühen Erfolgen bei internationalen Wettbewerben erzählt, von all den Orchestern, mit denen er zusammenarbeitet – oder wenn er die Klais-Orgel in der Elbphilharmonie beschreibt.

Dort gab der Saarländer tags zuvor zusammen mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg sein gefeiertes Debüt. Jetzt sitzt er ausgeruht am frühen Vormittag in der Lobby eines Hamburger Hotels, in dem ganz offensichtlich auch Filmschauspieler nächtigen. „Die technischen Finessen an modernen Orgeln sind schon enorm. In der Elbphilharmonie hat die Orgel zum Beispiel eine MIDI-Funktion, das heißt, ich kann das, was ich gerade spiele, aufnehmen, um danach den Saal abzuschreiten und zu hören, wie meine Fehler an welchen Sitzplätzen klingen.“ Immer wieder gerät er ins Schwärmen über technische Finessen, vor allem aber über die künstlerischen Möglichkeiten von Orgeln, natürlich auch über jene der Bamberger Symphoniker. Mit diesem Orchester ist er seit einigen Jahren als Hausorganist besonders verbunden.

Ein Spitzenkoch in fremder Küche, der erst einmal das Salz finden muss

Christian Schmitt
Christian Schmitt @ Uwe Arens

Schmitts Begeisterung für das Instrument an sich gründet eigentlich in einem generellen Problem für Organisten: Sie müssen stets an fremden Instrumenten spielen. Zudem ist eine Orgel deutlich individueller als ein Klavier. „Es ist ein bisschen so, wie wenn man als Spitzenkoch in einer fremden Küche arbeiten und erst einmal herausfinden müsste, wo sich das Salz befindet.“ Seit einiger Zeit ist der 41-Jährige zudem als Sachverständiger beim Bau neuer Orgeln gefragt, etwa für die Tonhalle Zürich oder das Konzerthaus Berlin. Und er hat seit kurzem auch seine eigene Hausorgel in Stuttgart. „Dann sitze ich endlich nicht mehr so viel in Ski-Unterwäsche in kalten Kirchenräumen.“

Dort, also in den eiskalten Kirchenräumen, hat alles angefangen: Mit dreizehn Jahren hatte er seine erste Organistenstelle in einem benachbarten Ort und konnte sich damit bald sein Tennis-Hobby und – mit sechzehn Jahren – seinen ersten gebrauchten Bechstein-Flügel finanzieren. Heute könnte man meinen, Christian Schmitt hätte sich als Künstler so weit entwickelt, dass es nur noch darum ginge, noch ein Stück weit besser und perfekter zu werden. Doch darüber hinaus ist ihm ein gewisser missionarischer Eifer nicht abzusprechen: „Ich werde noch viel Mühe darin investieren, dass die Orgel in der öffentlichen Wahrnehmung endlich den Stellenwert hat, den sie verdient. Von der Aussagekraft der Kompositionen jedenfalls steht die Orgel dem Klavier in nichts nach.“

Jedes Jahr eine Uraufführung

Vielleicht liegt auch darin der Grund, dass er beispielsweise über Cameron Carpenter differenzierte, insgesamt aber positive Worte findet. „Es gibt viele Wege, die Leute zu erreichen“, resümiert er hierzu. Er selbst bleibt aber lieber beim „klassischen“ Berufsbild des Organisten, wozu natürlich auch Uraufführungen gehören, etwa jene von Toshio Hosokawas „Umarmung“ in Köln Ende April. Da fällt ihm plötzlich ein weiteres Ziel ein: „Jedes Jahr eine Uraufführung.“ Über 25 Werke dürfte er inzwischen aus der Taufe gehoben haben, ohne dabei eine konkrete Zahl zu nennen. Auch das erzählt der 41-Jährige ganz ohne Stolz. Sondern mit purer Freude.

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