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Porträt Heinrich Marschner

Der Vater des Vampirs

Vor 150 Jahren starb der Komponist Heinrich Marschner. Die Hamburger Kammeroper präsentiert zum Jubiläum seine erfolgreichste Oper

vonKlemens Hippel,

Es war der Renner der Saison 1828 in Leipzig! Mit seinem Vampyr traf der 1795 in Zittau geborene Heinrich August Marschner, der sich wie so viele Komponisten seiner Zeit erst nach einem „ordentlichen“ Jura-Studium ganz der Musik zugewandt hatte, genau den Geschmack seiner Zeitgenossen. Der Stoff war der damals populären Schauerromantik entlehnt: Der Vampyr aus der Feder Wilhelm August Wohlbrücks bietet im Schottland des 17. Jahrhunderts verführte Jungfrauen, düsteres Ambiente, Geister und Hexen sowie eine wie böse-tragische Hauptfigur. Und mit einer ganz in dieser atmosphärischen Stimmung beheimateten Musik, die an Carl Maria von Webers Freischütz anknüpft, findet Marschner dafür die richtigen Töne. Sogar die Entstehungsgeschichte des Vampyrs passt perfekt zur Geschichte um den armen Lord Ruthwen, der in 24 Stunden drei unschuldige Bräute zu opfern hat, damit er nicht zur Hölle fährt („Für drei Bräute, zart und rein, Soll dem Vampyr ein Jahr bewilligt sein!“) Denn Marschner soll die Komposition in melancholischen Spaziergängen auf einem Magdeburger Friedhof entworfen haben. Und so genau er musikalisch die Geisterwelt beschrieb, so deutlich forderte er sie auch auf der Bühne: „Es ist Nacht, der Mond leuchtet im Hintergrunde halbhell. Kleine Irrlichter flackern hin und her. Die Hexen und Geister erscheinen in einem blauen und grünen Schimmer.“

Etwas überraschend kam Marschners Erfolg durchaus, denn mit einem ganzen Dutzend von Bühnenwerken war er in den Jahren zuvor nicht übermäßig erfolgreich gewesen. Immerhin hatte 1820 kein geringerer als Carl Maria von Weber Marschners Oper Heinrich IV. und d‘Aubigné in Dresden uraufgeführt. Darauf ließ sich Marschner, der zuvor als Musiklehrer in Pressburg (Bratislava) gewirkt hatte, in der sächsischen Hauptstadt nieder, und bald gehörten Ludwig Tieck und der Freischütz-Librettist Friedrich Kind zu seinen Freunden. 1824 wurde er Musikdirektor an der Hofoper und wäre 1826 zu gerne Nachfolger Webers geworden, der im Juni gestorben war. Doch erst der Erfolg des Vampyrs 1828 sowie der im Jahr darauf erscheinende Templer und die Jüdin bahnten seinen weiteren Weg: 1830 wurde Marschner Hof-Kapellmeister an der Hannoverschen Oper. Für die Berliner Hofoper komponierte er dann 1833 eine weitere erfolgreiche Oper: Hans Heiling auf ein Libretto Eduard Devrients, der das Sujet ursprünglich für Felix Mendelssohn vorgesehen hatte. Weiter hinauf ging es aber nicht für ihn: 1842 wurde nicht Marschner, sondern Meyerbeer Spontinis Nachfolger an der Berliner Oper, Marschner blieb bis zu seinem Tode 1861 in Hannover. Mit den acht Opern, die er noch schrieb, konnte er an die Erfolge von Hans Heiling und dem Vampyr nicht mehr anknüpfen. Letzterer immerhin blieb noch lange auf den Spielplänen der Opernhäuser – Hans Pfitzner brachte 1924 eine Neufassung auf die Bühne.

Danach war die Musik Marschners allerdings nicht mehr zu hören. Nur in der Musikgeschichtsschreibung blieben er und sein Vampyr stets präsent. Sie sah in Marschner das Verbindungsglied zwischen Webers Freischütz und Wagners Fliegendem Holländer. Wagner hatte den Vampyr 1833 in Würzburg auf die Bühne gebracht – und für seinen Bruder, den Tenor Albert Wagner, der bereits in der Leipziger Uraufführung mitgewirkt hatte, auch gleich noch seine erste aufgeführte Opernmusik eingefügt: die Arie Wie ein schöner Frühlingsmorgen. Tatsächlich hat Marschner in seinem Vampyr einiges vorweggenommen, was Wagner später perfektionieren sollte: In einer weitgehend durchkomponierten Oper vereint die Hauptfigur Gutes und Böses in sich. Und auch das Prinzip des Leitmotivs lässt sich hier finden: In einem einzigen Auftritt der Hauptfigur Lord Ruthwen, Ha, noch einen ganzen Tag, werden die vier dramatisch-musikalischen Grundmotive eingeführt, aus denen heraus die gesamte Oper entwickelt ist.

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