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Ensemble-Porträt Taschenphilharmonie

Klein und doch ganz groß

Minimal in der Besetzung, maximal im Ausdruck: die taschenphilharmonie in München

vonTeresa Pieschacón Raphael,

Mit „Reduce to the max“ warb einst ein berühmter Autokonzern für einen Kleinwagen. Ein Slogan, der zu der Münchner taschenphilharmonie kaum besser passen könnte, „dem kleinsten Sinfonieorchester der Welt“, wie es sein Gründer, der Dirigent und Komponist Peter Stangel, nennt.

Um die fünfzehn Musiker umfasst seine Truppe, darunter etwa sieben Bläser, sechs Streicher und je nach Bedarf noch Schlagzeug, Harfe, Harmonium oder Klavier. Minimalisiert ist allerdings nur die Besetzung, die Stangel, der bei Sergiu Celibidache und Georg Solti hospitierte und Komposition studierte, festlegt. „Supersized“ hingegen das Repertoire, das sich das Ensemble für seine Konzertreihen in Münchens Allerheiligen-Hofkirche – jährlich drei an der Zahl! – aussucht: unter anderem Sinfonien von Mahler, Schubert und Beethoven, Programmmusik wie Der Karneval der Tiere von Camille Saint-Saëns, Konzerte von Robert Schumann, oder auch Richard Wagners Siegfried-Idyll.

Das Neue im Vertrauten suchen

Und maximal ist stets der musikalische Ausdruck. Es „glitzert, flirrt, tänzelt und fiebert”, schwärmte das Magazin „Das Ensemble“ über die Einspielung von Mahlers vierter Sinfonie. „Das ist Mahler fast neoklassizistisch, aber eben auch gedankenvoll visionär!“ Ein Kommentar, der Peter Stangel freut, schließlich weiß auch er, dass Mahler stets in großen orchestralen Dimensionen dachte, seine Sinfonien unter Umständen bis zu tausend Mitwirkende hatten. „Was heute reizt, ist das Neue im Vertrauten“, glaubt er, weshalb er 2005 die taschenphilharmonie begründete. Sein Ziel: „Dinge hörbar zu machen, die in der Klangmasse eines großen Orchesters leicht untergehen. Die Schärfen etwa, die aus Beethoven wieder einen revolutionären Feuerkopf machen, die Intimität einer Mozart-Serenade, die ungewöhnlichen Klangwirkungen eines Werkes von Janáček.“ Gerne beruft er sich auf Arnold Schönbergs „Verein für musikalische Privataufführungen“, den dieser 1920 in Wien ins Leben rief, um groß besetzte Orchesterwerke mit einem kleinen und feinen Ensemble aufzuführen.

„Beethoven revisited“ heißt demzufolge Stangels populäres Projekt, das er im Sommer 2012 begann. Sämtliche Sinfonien des Meisters präsentieren sich hier in kammermusikalischer Optik, neuinstrumentiert vom Dirigenten selbst: nichts wird von schierer Klangmasse, „vom sinfonischen Overkill“ (Süddeutsche Zeitung) eines romantischen Orchesters erdrückt; das Wesentliche tritt hervor. „In der Taschenbuchausgabe“, meint Stangel, „steht derselbe Goethe wie im Ledereinband“. Schließlich wusste auch Antoine de Saint-Exupéry: „Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn man nichts mehr hinzufügen, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann“.

Gerne geht Peter Stangel mit seiner taschenphilharmonie den Weg auch umgekehrt. Aus Solostücken für Klavier werden funkelnde Orchesterminiaturen: „Die Kinderszenen von Robert Schumann etwa“, sagt er, „entzücken unser Publikum in einer poetischen Instrumentierung, Debussys Klavierstücke Children‘s Corner glänzen in tausend Klangfarben.“ Ein besonderes Erlebnis auch für die Kleinsten, glaubt Peter Stangel.

Beliebt auch bei sehr jungen Zuhörern

In verschiedenen Publikationen wird er nicht müde, die Bedeutung der Musik in der Gesellschaft jenseits des Kommerzes zu betonen. Anspruchsvolle Musikerziehung steht für ihn an erster Stelle, weshalb er die Konzertreihe „Große Musik für kleine Hörer“ entwickelte, die er selbst moderiert. Sie ist nicht mehr aus der Münchner Musikszene wegzudenken und wird jährlich von bis zu 8.000 Kindern besucht. 2011 realisierte er mit der „ZEIT“ die Kinder-Klassik-CD-Edition „Große Musik für kleine Hörer“. Die Box wurde für den Echo-Klassik-Preis nominiert und gewann den renommierten Leopold-Medienpreis „Gute Musik für Kinder“. „Klick – Klassik in die Kitas“ heißt Stangels jüngstes Projekt, das unter der Schirmherrschaft von Bundesministerin Ursula von der Leyen steht und von der Presse unterstützt wird. Ganz im Gegenteil zu Arnold Schönberg, Stangels Vorbild. Dieser hatte den privaten Verein auch deshalb gegründet, um missliebige Pressevertreter von (Ur-) Aufführungen fernzuhalten. Doch dies ist eine andere Geschichte.

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