Porträt Vesselina Kasarova

Mit vollem Einsatz

Vesselina Kasarova singt an der Deutschen Oper ihre erste Dalila

Einmal gehört, nie mehr vergessen. Nicht von allen Mezzo-Sopranistinnen dieser Tage lässt sich das behaupten. Von Vesselina Kasarova aber schon. Ihre Stimme bleibt im Gedächtnis haften, ihr warmes Timbre klingt noch lange nach. Wer sie einmal auf der Bühne gesehen hat, beispielsweise als kecke Rosina in Rossinis Barbiere di Siviglia oder jüngst als umgarnten Ritter Ruggiero in Händels Alcina, der weiß, dass auch die Schauspielerin Kasarova ihre Spuren hinterlässt. Bei ihr gibt es keine Pose, kein So-tun-als-ob, keine Manieriertheit. Sie bleibt sie selbst und schlüpft genau dadurch in die unterschiedlichsten Rollen. Durch Natürlichkeit und Offenheit der Empfindungen, gepaart mit einem besonderen Willen zu darstellerischer Wahrhaftigkeit und genauer emotionaler Einfühlung.

Für mich steht fest: Kasarova ist keine Diva nach gängigem Muster. Nonchalance, Geziertheit und glamouröse Selbstverliebtheit liegen ihr fern. Und das auch privat, denn wer sie einmal persönlich sprechen hört, muss über ihre jugendlich-helle, manchmal gehemmt und verletzlich klingende Mädchenstimme ins Staunen geraten. Ja, das ist wirklich dieselbe Person, die mit so kraftvoll dunklem und geschmeidigem Klang einen großen Zuschauerraum ausfüllen kann! Und mit perfekter Stimmtechnik meistert sie lyrische wie dramatische Koloraturpartien.

Vesselina Kasarova scheint immer auf der Suche nach der richtigen Farbe, die es braucht, um die Emotionen ihrer Rollen lebendig werden zu lassen. Eine Suche, die der Gefahr entgegenwirkt, dass alles irgendwie immer gleich klingt. Ihr Motto könnte lauten: Singen ist nicht nur Stimme zeigen, sondern den ganzen Menschen. Also alles, was man hat und ist. Weil sie damit ans Existentielle rührt, ist sie für mich das, was die Oper im Kern braucht: Eine authentische Künstlerin.

Die geborene Bulgarin hat ihren Weg gemacht: Musikalisch erzogen seit frühen Kindertagen, absolvierte sie erst ein Klavierstudium in ihrer Heimat und konzentrierte sich später auf den Gesang. Das Diplom in Händen war sie sogleich Ensemblemitglied des Opernhauses Zürich – und das im Jahr 1989, also in Zeiten des politischen Umbruchs. Als sie später Marilyn Horne in Rossinis Tancredi bei den Salzburger Festspielen vertrat, war der internationale Durchbruch geschafft. Seitdem ist die Wahl-Schweizerin nicht mehr aus der Riege der führenden Mezzo-Stimmen wegzudenken.

Händel, Mozart, Rossini sind die Säulen ihres Repertoires, mit Donizetti und Bellini weiß sie im italienischen Belcanto-Fach zu begeistern. Französische Partien und auch die Hosenrollen von Richard Strauss, Octavian und Komponist, hat sie sich inzwischen erarbeitet. Behutsam geht sie vor, wenn es heißt, Neues zu lernen. An der Deutschen Oper Berlin hat sie nun ein Rollendebüt als Dalila in Camille Saint-Saëns‘ Oper Samson und Dalila.

Allzuoft findet sich dieser biblische Stoff nicht auf den Spielplänen, wenngleich es das bekannteste von seinen dreizehn Bühnenwerken ist. Klassiker des Mezzo-Repertoires sind die Arien der verführerischen Priesterin der Philister, allem voran Dalilas Mon cœur s’ouvre à ta voix. Doch wie psychologisch komplex die Widersacherin Samsons tatsächlich agiert, ergibt sich erst aus der Handlung. Ich bin mir sicher, dass Kasarova hier nicht nur Stimme zeigen wird, sondern auch einen wirklichen Charakter. Vielleicht unvergesslich.

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