Porträt Yuri Bashmet

Aus der Witzecke geholt

Yuri Bashmet hat der Viola ein neues Image verpasst. Doch auch zum Dirigierstock greift der Bratscher gerne mal

© Oleg Nachinkin

Yuri Bashmet

Yuri Bashmet

Paganini der Bratsche oder auch schlicht Mr. Bratsche: Schon seine inoffiziellen Ehrentitel künden von der einzigartigen Musikerpersönlichkeit Yuri Bashmets. Kein Wunder, war er allein es doch, der die Viola aus dem Orchesterverbund und den kammermusikalischen Formationen herausholte und sie zu einem Soloinstrument von gleichem Rang wie Violine und Cello werden ließ.
Ihre Initialzündung erfuhr diese Emanzipation „seines“ Instruments schon während seines Studiums am Moskauer Konservatorium in den 70er Jahren. Es war jene Zeit, als der junge Student in den heiligen Hallen den ganz Großen ihres Fachs über den Weg lief: Leonid Kogan, David Oistrach, Mstislaw Rostropowitsch, Emil Giles. Bashmet wollte mehr erfahren und habe so stets artig gegrüßt, erinnert er sich: Von Kogan keine Reaktion, Oistrach erkundigte sich wenigstens freundlich-distanziert über die Studienrichtung. Nur Rostropowitsch reagierte mit spontaner Herzlichkeit: „Ja grüß Dich, Alter! Komm doch in meine Klasse zuhören!“ In diesem hehren Umfeld von Violine und Cello habe er sich damals die Frage gestellt, warum seine Bratsche nicht auch dazugehöre – und begann gezielt an einer Solistenlaufbahn zu arbeiten. Als der Russe dann 1976 den Internationalen Viola-Wettbewerb in München gewann, war das der Durchbruch.

Neue Kompositionen für die Bratsche

Bashmet war der erste Bratscher, der in den berühmten Konzertsälen der Welt zu Solorecitals eingeladen wurde und bis heute für volle Häuser sorgt. Die hagere Gestalt im schwarzen Longshirt, das schwarze Haar schon nach wenigen Bogenstrichen auf seiner kostbaren Testore-Viola aus dem Jahr 1758 wirr ins Gesicht hängend, die Adleraugen fixiert auf das Notenblatt oder sein Instrument: So ist er zu einer Marke für seine Kunst geworden. Und er hat andere seines Fachs animiert, ihm zu folgen und zeitgenössische Komponisten von Schnittke bis Turnage angeregt, Werke für sein Instrument zu schreiben. Und dem sehr bescheidenen klassischen und romantischen Repertoire für Solobratsche begegnete der Künstler durch Arrangements anderer Werke.

Stets neugierig, stets auf der Suche begann Bashmet zudem zu dirigieren: Den Anfang machte das Kammerensemble Moskauer Solisten, dem er seit dessen Neubildung 1992 als künstlerischer Leiter vorsteht; doch schon bald baten ihn weltweit die bedeutendsten Orchester ans Dirigentenpult. Sein Dirigierstil ist dabei absolut unspektakulär: Kein raffiniertes Jonglieren aus dem Handgelenk, kein virtuoses Fingerspiel, vielmehr kleine, sehr präzise Gesten, ab und zu ein ausgefahrener Arm – ganz seiner Persönlichkeit als wachsamer Zeitgenosse entsprechend.
Eben diese lässt ihn auch das Geschehen jenseits der Musik verfolgen – und sich einsetzen für das, was er für gut und richtig hält. Er ist Mitglied des Kunstrats des Kreml und gern gesehener Teilnehmer in Fernseh-Diskussionsrunden, Professor am Moskauer Konservatorium und in Lvov; zumindest bis vor kurzem, denn nach seiner Unterstützung für die russische Annexion der Krim verbannten ihn die Lemberger aus dem Institut seiner ersten musikalischen Ausbildung. Ganz er selbst darf Bashmet hingegen in seiner eigenen TV-Sendung „Traumbahnhof“ sein – als Musiker: Da erlebt der Zuschauer Begegnungen, musikalisch-poetische Offenbarungen, da singt gleichsam die Seele mit. „Singen ist das Fundament zur Musik in allen Dingen“ wusste schon Telemann. Wenn Bashmet Musik macht, dann ist das stets ein Singen.

CD-Tipp

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