Puccini: Tosca

Zu Beginn des Jahres 1900 wurden die Zuschauer der Uraufführung von Puccinis „Tosca“ Zeugen der Geburtsstunde von einer der erfolgreichsten Opern der Geschichte.

© gemeinfrei

Deckblatt des Librettos zu "Tosca", 1889

Deckblatt des Librettos zu "Tosca", 1889

Die Figur der Tosca wäre ohne Sarah Bernhardt und Maria Callas nicht annähernd so berühmt wie sie heute ist. Als Hauptdarstellerin des Dramas von Victorien Sardou wurde Bernhardt in ganz Europa gefeiert – innerhalb von zwanzig Jahren soll sie an die 3.000 Mal jene tragische Sängerin gespielt haben, die am Chaos und an der Unmenschlichkeit im Rom des 2. Koalitionskriegs zugrunde geht.

© Félix Nadar/gemeinfrei

Sarah Bernhardt als Tosca 1887
Sarah Bernhardt als Tosca 1887

Während Sarah Bernhardt die Schauspiel-Tosca seit der Uraufführung gab, blickte Maria Callas bereits auf eine Reihe prominenter wie umjubelter Vorgängerinnen, als sie in den frühen fünfziger Jahren erstmals die Titelpartie der Puccini-Oper übernahm, wobei „spielte“ der treffendere Ausdruck ist, stand doch die darstellerische Tiefe ihrer Rolle der sensationellen musikalischen Interpretation in nichts nach. 32-mal verkörperte sie Tosca – allein die Rollen der Norma, Violetta und Lucia sang sie öfter.

Tosca: Libretto als Zankapfel

Die Gründe, warum „Tosca“ seit der Uraufführung bis zum heutigen Tage zu den meistgespielten Opern gehört, sind mannigfach. Es fängt schon bei der Uraufführung an sich an, passte doch das antiklerikale Sujet des Werks ideal zum weitgehend antiklerikal eingestellten Publikum. Außerdem gilt das Libretto bis heute als eines der besten seiner Art, auch wenn die Zusammenarbeit am Text alles andere als harmonisch verlief: Neben den „offiziellen“ Librettisten Giuseppe Giacosa und Luigi Illica wirkten auch noch Puccini, Ricordi und Sardou höchstselbst meinungsstark und konfliktfreudig mit, mehrmals drohte das Projekt dadurch auseinanderzufallen.

Sturz von der Engelsburg

Am Ende jedoch wurde die Uraufführung Anfang 1900 ein großer Erfolg: Ein Maler, der seinen politisch verfolgten Freund auch unter Folter nicht verrät, eine Frau, die aus Liebe und Treue zur Mörderin des Peinigers ihres Geliebten wird, dazu noch das allgemeine Aufbegehren gegen eine gewalttätige Obrigkeit – das war genau der Stoff, den das Publikum damals wollte. Allein die Tatsache, dass alle vier eben genannten Figuren auf der Opernbühne das Zeitliche segnen (Tosca selbst stürzt sich am Ende effektreich von der Engelsburg in Rom in den Tod), brachte der Oper den nicht ganz unberechtigten Vorwurf einer recht drastisch dargestellten Brutalität ein.

© Jutta Missbach

Szenenbild aus "Tosca"
Tosca/Staatstheater Nürnberg

Vielleicht liegt aber genau darin der Grund, weshalb „Tosca“ nie von den Spielplänen verschwand, steht doch die Oper „als Fanal über dem beginnenden 20. Jahrhunderts“, wie Mathias Husmann in seinen „99 Präludien fürs Publikum“ erläutert: „Schikane gegen Kunst und Künstler, politische Verfolgungen, Folter, willkürliche Hinrichtungen, Faschismus, Kriege…“ – was in „Tosca“ thematisiert wird, begleitete die Menschheit das gesamte 20. Jahrhundert über.

Die wichtigsten Fakten zu Giacomo Puccinis „Tosca“:

Besetzung: Floria Tosca, Opernsängerin (Sopran), Mario Cavaradossi, Maler (Tenor), Baron Scarpia, Polizeichef (Bariton), Spoletta, Gendarm (Tenor), Sciarrone, Gendarm (Bass), Cesare Angelotti, politischer Gefangener (Bass), Mesner (Bass), Schließer (Bass), Ein Hirtenknabe (Knabensopran)

Orchesterbesetzung: 3 Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten, Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Bassposaune, Pauken, Große Trommel, Becken, Triangel, Violinen, Bratschen, Celli, Kontrabässe, Carillon, Harfe, Celesta, Glocken, Bühnenmusik, Kanone

Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden

Die Uraufführung fand am 14. Januar 1900 statt

Referenzeinspielung

Puccini: Tosca

Maria Callas, Giuseppe di Stefano, Tito Gobbi, Franco Calabrese. Chor und Orchester der Mailänder Scala. Vicot de Sabata (Leitung)
Warner Classics

Diese Tosca von 1953 gehört ohne Zweifel zu den bekanntesten Opernaufnahmen überhaupt. An der Seite von Maria Callas als Tosca ist Tito Gobbis Darstellung des Scarpia die Blaupause schlechthin für einen Opernschurken, während Giuseppe di Stefano kongenial Toscas Geliebten Cavaradossi gibt. Auch wenn man der Aufnahme anhört, dass sie bereits mehr als sechzig Jahre alt ist, sucht sie nach wie vor hinsichtlich der außerordentlichen Musikalität des Orchesters und der bestechenden Präsenz der Sänger ihresgleichen.

Dienstag, 19.03.2024 19:30 Uhr Staatsoper Hamburg

Puccini: Tosca

Italienische Opernwochen
Mittwoch, 20.03.2024 19:30 Uhr Staatsoper Stuttgart

Puccini: Tosca

Ewa Vesin (Floria Tosca), Atalla Ayan (Mario Cavaradossi), Gerardo Bullón (Baron Scarpia), Jasper Leever (Cesare Angelotti), Markus Poschner (Leitung), Willy Decker (Regie)

Donnerstag, 21.03.2024 19:30 Uhr Staatsoper Hamburg

Puccini: Tosca

Italienische Opernwochen
Sonntag, 24.03.2024 18:00 Uhr Oper Köln (StaatenHaus)

Puccini: Tosca

Giuseppe Finzi (Leitung), Thilo Reinhardt (Regie)

Mittwoch, 27.03.2024 19:30 Uhr Staatsoper Hamburg

Puccini: Tosca

Italienische Opernwochen
Donnerstag, 28.03.2024 19:30 Uhr Oper Köln (StaatenHaus)

Puccini: Tosca

Giuseppe Finzi (Leitung), Thilo Reinhardt (Regie)

Samstag, 30.03.2024 19:30 Uhr Oper Köln (StaatenHaus)

Puccini: Tosca

Giuseppe Finzi (Leitung), Thilo Reinhardt (Regie)

Mittwoch, 03.04.2024 19:30 Uhr Oper Köln (StaatenHaus)

Puccini: Tosca

Giuseppe Finzi (Leitung), Thilo Reinhardt (Regie)

Donnerstag, 04.04.2024 19:30 Uhr Staatsoper Unter den Linden Berlin

Puccini: Tosca

Johan Krogius (Spoletta), Alvis Hermanis (Regie)

Freitag, 05.04.2024 19:30 Uhr Oper Köln (StaatenHaus)

Puccini: Tosca

Giuseppe Finzi (Leitung), Thilo Reinhardt (Regie)

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(UA Rom 1900)


Drei brutale Akkorde: zwei tief, sich harmonisch spreizend – wie jemand sich breitbeinig in Pose stellt, der dritte hoch, grell und lang – wie ein böses Lachen. Mussolini? Göring? Nein: Baron Scarpia, der korrupte, lüsterne Chef der römischen Staatspolizei zur Zeit der Napoleonischen Kriege.


Jemand stürzt atemlos in die Andreaskirche, sucht und findet den Schlüssel zu einer Seitenkapelle. Ein Mesner schlendert mit Eßkorb und Malutensilien herbei – für den Maler Mario Cavaradossi, der an einem Porträt der Maria Magdalena arbeitet. Der Mesner ist empört: die Heilige sieht ja aus wie jene Frau, die jüngst vor der Seitenkapelle betete…


…Verhängnisvoller Leichtsinn des Malers! Scarpia erkennt die Züge auf dem Porträt: es ist die Schwester des flüchtigen Angelotti. Er läßt Cavaradossi verhaften und im Palazzo Farnese in Anwesenheit von seiner Geliebten, der berühmten Sängerin Floria Tosca, foltern. Tosca will Cavaradossi freikaufen, Scarpia fordert sie als Preis. Das Todesurteil wird in eine Scheinerschießung umgewandelt, sie selbst darf es ihm im Gefängnis mitteilen. Als Scarpia sich Tosca wollüstig nähert, ersticht sie ihn. Im Morgengrauen besucht Tosca Cavaradossi auf der Engelsburg und schärft ihm ein, bei den Gewehrsalven theatralisch hinzufallen. Als die Soldaten abgezogen sind, ruft sie ihm zu, aufzustehen – er rührt sich nicht. Tosca springt von der Mauer der Engelsburg.


Höhepunkte: das Tedeum mit Orgel und Glocken in der Kirche, während sich Scarpia in sexuellen Fantasien ergeht…

Die schmerzhafte Phrase der Violinen, als Tosca den Dolch auf Scarpias Schreibtisch erblickt und erkennt, daß ihr keine Wahl bleibt…


Das ergreifende Klarinettensolo, wenn Cavaradossis Leben in seiner letzten Stunde sich zu einer einzigen bittersüßen Erinnerung zusammenzieht: als Tosca ihm zum erstenmal im Arm lag…

Die mystischen nahen und fernen Glocken des erwachenden Rom…

Und schließlich: der faszinierend – scheußliche Marsch unter dem Erschießungsritual!


Als legendär gilt die Darstellung der Tosca durch Maria Callas – aber jede Sängerin wächst in dieser Partie über sich hinaus.


Tosca steht als Fanal über dem beginnenden 20.ten Jahrhundert: Schikane gegen Kunst und Künstler, politische Verfolgungen, Folter, willkürliche Hinrichtungen, Faschismus, Kriege…die Premiere mußte wegen einer Bombendrohung unterbrochen werden – mitten in der wunderbaren Arie des Malers, vor seinem Gemälde stehend, über die Augen der Frauen…


(Mathias Husmann)