Festivalguide - Musikwoche Hitzacker 2016

Zonenrand-Förderung

Einst trennte die Elbe Ost und West – heute zieht es Künstler aus ganz Deutschland zur Musikwoche Hitzacker

© Christian Sagawe

Am Rande der Stadtinsel von Hitzacker gelegen: St. Johannis ist eine der beiden Hauptspielstädten

Dass ein Musiker fast 30 Jahre lang ein Festival führt, ist schon ungewöhnlich in unserer schnelllebigen Zeit. Fast noch bemerkenswerter ist indes, wenn dieser künstlerisches Leiter dann just ein Jahr vor dem Jubiläum das Zepter abgibt: So geschehen im Fall von Startrompeter Ludwig Güttler, der die Musikwoche Hitzacker vor drei Jahrzehnten ins Leben rief und nun zum Jubiläumsjahr 2016 den Stab an den Berliner Oboisten Albrecht Mayer weitergereicht hat.

Hitzacker: Das ist ein verwinkeltes, beschauliches, ja verschlafenes Örtchen an der Mündung der Jeetzel in die Elbe. Friedlich liegt diese Gemeinde hier inmitten einer einzigartigen Natur, die sich allerdings immer wieder den Ort zurückerobert – wer erinnerte sich nicht an die großen Überflutungen der beiden gewaltigen Elbhochwasser in den letzten Jahrzehnten.

Bekannt geworden ist die Gegend indes nicht nur durch die Fluten, sondern vor allem durch die jahrzehntelangen Gorleben-Proteste in unmittelbarer Nähe. Und: Bis zum Mauerfall bildete hier die Elbe die Grenze zwischen Ost und West. Wer oberhalb Hitzackers auf dem nördlichsten Weinberg Deutschlands stand, konnte damals die Wachtürme der DDR-Grenzer auf der anderen Flussseite segen. Ein klassiches Zonenrandgebiet – da schien es seinerzeit naheliegend, diese Mischung aus verträumten Idyll und benachteiligter Lage für ein Aufbruchssignal zu nutzen. Und da man im Sommer schon immer das älteste Kammermusikfestival der Sommerlichen Musiktage hatte, fiel die Wahl des damaligen Bürgermeisters und des Musikers Güttler auf eine winterliche Festivalwoche.

Jahraus, jahrein verwandelte der Trompeter seiter Hitzacker mit Musikern aus seiner sächsischen Heimat für neun Tage im Februar in eine Hochburg barocken und frühklassischen Musizierens. Hier präsentierte er nicht nur seine Ensembles von den Virtuosi Saxoniae bis hin zum Blechbläserensemble Güttler, sondern auch seine ausgegrabenen Lieblingsstücke für die frühe Trompete. 

Natürlich gab es immer wieder auch mal Musik anderer Epochen zu hören, aber vorwiegend drehte sich das Festival um die Musik für Blechbläser zwischen Frühbarock und Klassik – und gerne auch aus dem großen Umfeld der Dresdner Musikergrößen. Mit der Zeit wurde es allerdings zunehmend schwerer, Gelder für das Festival aufzutreiben: Güttler wollte partout nichts an seinem Konzept ändern, doch die Geldgeber immer widerspenstiger wurden, vergraulte irgendwann die Last der Geldbeschaffung dem künstlerischen Leiter die Lust an der Musik.

Nun darf sich also Albrecht Mayer gemeinsam mit dem Trägerverein ums liebe Geld kümmern. Wobei der Oboist den Vorteil hat, dass er dank erfolgreicher PR und diverser in den Klassikcharts hoch gehandelter CDs heute fast noch bekannter ist, als es Güttler zur Gründung des Festivals war. Nur konsequent also, dass der neue künstlerische Leiter da bei seinem ersten Festival geradezu omnipräsent sein und an sieben von neun Tagen selbst spielen wird. 

Das Programmprofil indes ähnelt sehr stark dem der letzteren – nur dass statt Dresdner jetzt Berliner und Hannoveraner Musiker den Festivalstamm bilden und nicht mehr Trompeten- oder Blechbläsermusik im Zentrum steht, sondern originale oder bearbeite Musik für Oboe.

 

Die Festivaldaten im Überblick: 

 

Zeitraum:  04.03.-13.03.2016

Künstler: Albrecht Mayer, Igor Levit, Andreas Ottensamer, Felix Klieser, Gabriel Schwabe, Nicholas Rimmer, Kammerakademie Potsdam, Hamburger Symphoniker, Joachim Król u. a.

Ort: Hitzacker

 

Was es im Bereich Festival außerhalb von Hitzacker zu entdecken gibt, stellen wir Ihnen in unserem Festivalguide vor.

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