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Porträt Quatuor Modigliani

Ziemlich beste Freunde

Ein Streichquartett, das sind im Idealfall mehr als nur vier sehr gute Musiker. Im Quatuor Modigliani haben sich auch vier Brüder im Geiste gefunden

vonChristoph Forsthoff,

„Schon komisch hier zu sitzen.“ Philippe Bernhard blickt zu der Flagge hoch, die in der Hotellounge über ihm hängt: Dunkelgrün und Scharlachrot, in der Mitte das stilisierte Navigationsgerät – Portugal lässt grüßen. Ja, die Niederlage im EM-Finale 2016 im eigenen Land wirkt auch bei dem Geiger noch nach … besser also nicht das Thema Fußball weiter vertiefen, sondern lieber über die Königsgattung der Kammermusik sprechen. Wobei „La Mannschaft“ oder etwa die Team-Bildung durchaus auch im Streichquartett ein Thema sind, denn „es ist nicht schwer vier Leute zu finden, die gut spielen: Doch diese vier müssen sich auch gut miteinander verstehen“, sagt der Primarius des Quatuor Modigliani. „So etwas kann man nicht nur als Job machen: Wenn wir etwa einen Monat gemeinsam auf Tour in Australien verbringen, kann das schon eine verdammt lange Zeit sein.“

„Dann packt es dich und du kannst nicht mehr ohne leben“

Nun, die vier Franzosen verstehen sich zweifellos gut – ja, bei François Kieffer spricht Bernhard sogar nicht nur von einem sehr guten Freund wie bei seinem Geigen-Kollegen Loic Rio und Bratscher Laurent Marfaing, der Cellist „ist für mich wie ein Bruder“. Und das seit mittlerweile dreizehn Jahren: Damals führte der Zufall die jungen Männer im Konservatorium in Paris zusammen – und schon mit dem ersten gemeinsamen Auftritt hatte sie der Quartett-Virus erfasst. „Das ist etwas ganz Außergewöhnliches wie bei der ersten Ski-Abfahrt: Du hast es zuvor noch nie gemacht und dann packt es dich – und von dem Tag an kannst du nicht mehr ohne es leben“, erinnert er sich.

Nun ist solch Leidenschaft wie auch die Ensemble-Harmonie naturgemäß nur die halbe Miete – die andere Hälfte in Form eines ebenso schlanken wie transparenten Klangs, künstlerischer Kompetenz und kluger Repertoirewahl erwarben sich die Franzosen beim Ysaÿe und Artemis Quartett sowie dem legendären LaSalle-Primarius Walter Levin. Dass die Studenten dabei schon früh wussten, was sie wollten, zeigt sich auch in ihrer Namenswahl: Nach dem Besuch einer Ausstellung mit Werken des Malers Amedeo Modigliani war der Entschluss klar – „dieser Mann hatte in seinem Schaffen etwas ganz Eigenes und Einzigartiges“, erinnert sich Bernhard. „Und vor eben dieser Herausforderung stehen wir auch als Streichquartett, denn es gibt so viele Quartette, da reicht es einfach nicht, nur gut zu spielen.“

In den Urlaub geht es 
ohne die anderen

Letzteren Stand haben die vier zweifellos längst hinter sich gelassen, werden die Modiglianis doch mittlerweile zu den besten Quartetten weltweit gezählt. Allein in Deutschland scheint sich dieser Ruf noch nicht so ganz verbreitet zu haben: Manch nationale Alterskollegen wie etwa das Quatuor Ébène sind hierzulande zweifellos schon bekannter. An der Empfindsamkeit im Spiel oder am Farbenspektrum liegt dies sicher nicht, alle vier musizieren auch auf edlen italienischen Instrumenten – der Primarius auf einer Guadagnini von 1780, Marfaing gar auf einer Mariani-Viola von 1660! – und pflegen den typisch französischen, hell-seidigen und ein wenig nasalen Klang. Und, nicht ganz unerheblich in unserer medialen Welt, alle vier sind schmucke Jungs. Indes, daheim in Paris in festen Händen und mit Familie – weshalb auch großer Wert darauf gelegt wird, zumindest die Ferien ohne die Streicher-Brüder zu verbringen. „Es ist wichtig, auch einmal Zeit für sich allein zu haben“, sinniert Bernhard. „Eine Auszeit sollte wirklich eine Auszeit sein.“ Was eben selbst für ziemlich beste Freunde gilt.

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