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Kurz gefragt Philippe Jaroussky

»Ich warte schon 15 Jahre auf das hohe C«

Philippe Jaroussky ist einer der erfolgreichsten Countertenöre. Hier spricht er über …

vonJakob Buhre,

… Humor

 

Humor wird für mich immer wichtiger. Bei vielen Konzerten mit Christina Pluhar und ihrem Ensemble L‘Arpeggiata habe ich gelernt, dass ein Klassik-Konzert zwar seriös sein muss, aber dass du manchmal eben auch etwas anderes anbieten kannst. Am Ende des Konzerts zum Beispiel haben wir aus Ohimè ch‘io cado von Monteverdi eine Art Jazz-Version gemacht, ich habe ein bisschen dazu getanzt. Das schafft eine andere Beziehung zwischen Künstler und Publikum. Außerdem, in der Oper, in den Libretti gibt es ja auch unglaublich komische Dinge. Humor ist Teil des Lebens, und Musik sollte alles zeigen, nicht nur das Leid und die Liebe.

… das deutsche Publikum

Das kann ich an der Stille erkennen, an der hohen Konzentration während des gesamten Konzerts. In Frankreich oder Spanien klatschen oder rufen die Leute oft schon nach der ersten Arie, in Deutschland passiert das fast nie. Dafür können die Menschen hier am Ende um so enthuastischer sein, dann sagen sie dir, ob es ihnen gefallen hat oder nicht. Ich erinnere mich an meinen ersten Auftritt in Deutschland, da dachte ich zunächst, es würde den Leuten nicht gefallen – bis ich am Ende den Schlussapplaus hörte.

… seine höchste Note

 

Das zweigestrichene B. Ich wünschte, ich würde das C kriegen – aber das ist wohl mein Schicksal: Ich warte schon 15 Jahre auf das C, aber inzwischen denke ich, ist es an der Zeit, einzusehen, dass es nicht mehr kommt (lacht). Ich arbeite natürlich immer an meinem gesamten Register, nicht nur an der Höhe. Man versucht dabei nicht nur, die Höhe zu entwickeln, um die hohen Töne auch zu singen, sondern man arbeitet an den Extremen, damit man sich in der normalen Lage noch besser fühlt, um an den weniger schwierigen Stellen entspannter zu sein.

… Singen in Frauenkostümen

 

Das habe ich nie gemacht, ich glaube, ich würde es als unangenehm empfinden. Letztes Jahr haben wir die Oper Artaserse von Leonardo Vinci aufgeführt, mit fünf Countertenören, und mir wurde eine Frauenrolle angeboten, doch ich habe lieber einen der männlichen Parts übernommen. Die Countertenor-Stimme hat für mich nichts damit zu tun, eine Frau darzustellen. Ich versuche auch nie, eine Frau zu imitieren. Ich habe diese Stimme gewählt, weil ich damit komfortabel singen kann, es ist für mich eben einfacher als Bass oder Tenor.

 

… das Komponieren

 

Es gab eine Zeit, als ich ein großes Bedürfnis danach hatte und tagelang komponierte. Aber was dabei herauskam, war nicht gut genug. Und irgendwann fehlte mir auch die Zeit. Ich bin der Meinung: Wenn du Komponist sein willst und etwas Gutes schreiben willst, dann musst du dem dein ganzes Leben widmen. Deswegen habe ich großen Respekt vor Komponisten. Es gibt schon eine gewisse Frustration, dass ich heute nur Interpret bin und selbst nichts Neues kreiere.

 

… Johann Sebastian Bach

 

Ich habe ein bisschen Bach gesungen, als ich jünger war, in den letzten Jahren aber überhaupt nicht mehr. Er gehört zu den Komponisten, die ich mir für die Zukunft vorgenommen habe, allerdings frühestens in zwei Jahren. Erst möchte ich noch mein Deutsch verbessern. Und dann… Wissen Sie, ich habe die Arie aus der Matthäus-Passion gesungen, „Erbarme dich, mein Gott“, aber es ist fürchterlich: Selbst wenn ich mein Bestes gebe, habe ich das Gefühl, dass man der Perfektion dieser Komposition nicht gerecht wird.

… komische Zuschauerreaktionen auf seine hohe Stimme

 

Es kommt immer noch vor, dass Leute überrascht sind, oder ablehnend reagieren. Die versuche ich zu fokussieren, manchmal schaue ich sie direkt an. Aber man kann nicht jeden überzeugen. Es gibt immer Leute, die im Konzert sind, weil sie jemand eingeladen hat. Und wenn so jemand deinen Gesang nicht mag, kannst du nichts machen. Das mag ich aber auch an dieser Stimmlage: es gibt dafür viele Fans, aber genauso auch viele Menschen, die den Countertenor für ein Fake, eine Imitation halten. Und auch diese Haltung respektiere ich, es ist ja eine sehr persönliche Angelegenheit, ob man eine Stimme mag oder nicht.

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