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Interview TwoSet Violin

„Wir können etwas bewegen!“

Das australische Duo TwoSet Violin wurde über YouTube weltbekannt. Mit ihren Comedy-Videos rund um den Musikeralltag begeistern sie mittlerweile ein Millionenpublikum

vonElisa Reznicek,

Das australische Duo TwoSet Violin hat sich zu einem regelrechten Internet-Kultphänomen entwickelt. Ihre zugespitzten Parodien des alltäglichen Musikerlebens haben bislang über 700.000 Follower und rund 300 Millionen Views generiert – Tendenz weiter steigend. Nun kommen Brett Yang und Eddy Chen nach Deutschland, wo sie den herrlich unangepassten Witz ihrer YouTube-Videos auch live auf der Bühne transportieren wollen.

Millionen von Menschen schauen eure YouTube-Videos. Habt ihr jemals damit gerechnet, dass TwoSet Violin so erfolgreich wird?

Brett Yang: Nein, wirklich nicht. Das Ganze war anfangs einfach nur ein Hobby aus Spaß. Aber irgendwann ist eines der Videos plötzlich viral gegangen, was natürlich die perfekte Kombi ist. Schließlich wollten wir schon immer etwas machen, das ein wenig durchgeknallt, aber auch erfolgreich ist.

Eddy Chen: Ja, das war damals eine Aufnahme, in der ich Lindsey Stirling nachgemacht habe.

Ihr produziert am laufenden Band. Ist es schwierig, sich immer wieder etwas Lustiges und Neues einfallen zu lassen oder liegt euch das im Blut?

Chen: Eigentlich ist es verrückt: Je häufiger man es tut, desto einfacher geht’s. Uns hilft es, unsere Ideen aufzuschreiben, um die Gedanken zu ordnen.

Yang: Einfälle bekommen wir natürlich überall, sei es unter der Dusche oder beim Üben. Manchmal sogar erst beim Drehen selbst. Als wir noch regelmäßig in Orchestern gespielt haben und bei den Proben immer darauf warten mussten, dass die Celli und Violas endlich mal richtig spielen, haben wir natürlich auch viel Stoff zusammenbekommen (lacht).

Manchmal arbeitet ihr auch mit Klassikstars zusammen. Sehr bekannt ist euer Video mit Lang Lang und dem Sydney Symphony Orchestra. Wie kam’s dazu?

Yang: Stimmt, wir haben in der Vergangenheit mit vielen bekannten Künstlern zu tun gehabt. Los ging’s 2015 mit Janine Jansen. Das hat uns viele Türen geöffnet. Bei der Geschichte mit Lang Lang kam das Sydney Symphony Orchestra auf uns zu und hat uns gefragt, ob wir nicht gemeinsam etwas drehen wollen. Also haben wir uns hingesetzt, Ideen entwickelt und das Shooting arrangiert.

Wie habt ihr zwei euch eigentlich kennen gelernt?

Yang: Auf die asiatischste Art und Weise, die man sich vorstellen kann (lacht). Wir waren damals 14 oder 15 Jahre alt und wurden von unseren Eltern in einen Mathe-Club gesteckt, der nach der Schule stattfand. Wir saßen nebeneinander und hatten überhaupt keine Lust, dort zu sein. Ich habe Eddy irgendwann gefragt: „Hey, was machst du so?“. Dann hat er mir erzählt, dass er Violine spielt. Am nächsten Morgen hatte ich Probe mit dem Queensland Youth Orchestra, in dem hauptsächlich Leute Anfang zwanzig waren. Mit denen hatte ich nichts, worüber ich mich unterhalten konnte. War ich froh, als ich Eddy gesehen habe! So sind wir Freunde geworden.

TwoSet Violin
TwoSet Violin © Michael Carrello

Wisst ihr noch, wie ihr zur Violine gekommen seid?

Yang: Meine Mutter hat mich gezwungen (lacht).

Chen: Ich kann mich wirklich nicht mehr daran erinnern. Irgendeiner hat mir wohl mal eine Geige in die Hand gedrückt.

Yang: Vermutlich war es bei mir ähnlich. In meinen ersten acht Lebensjahren sind Dinge einfach passiert. Es ist nicht so, als hätte ich mich aktiv dafür entschieden Geige zu spielen. Aber ich bin dann drangeblieben.

Später hattet ihr auch buchstäblich „klassische“ Jobs, zum Beispiel im Sydney und Queensland Symphony Orchestra. Die habt ihr irgendwann zu Gunsten eurer „Internet-Karriere“ aufgegeben.

Yang: Ja, wir haben beide immer wieder Orchesterjobs übernommen, um Erfahrungen zu sammeln. Vor ungefähr zwei Jahren haben wir mit unseren eigenen Sachen eine große Show im Sydney Opera House gespielt. Dabei haben wir gemerkt, dass das Ganze Potenzial hat und tatsächlich Leute kommen.

Chen: Zu sehen, dass wir Fans haben, war schon ziemlich cool. Ihnen und unseren Projekten wollten wir unsere ganze Zeit widmen. Wir haben uns daher gegen den Spagat zwischen einem Orchesterjob mit Proben und Auftritten einerseits und den Dingen, die wir wirklich liebten, entschieden. Das hat sich bislang ausgezahlt.

Auf eurer Webseite schreibt ihr, dass ihr „klassische Musik wieder relevant machen wollt für die heutige Generation“. Warum ist das nötig?

Chen: Klassische Musik war nie so richtig populär bei Leuten meiner Generation. Auch bei Konzerten muss man nur mal einen Blick ins Publikum werfen – die meisten Zuhörer haben schon graue Haare. Dazu kommt, dass viele klassische Orchester und Musiker von staatlichen Hilfen und Sponsoring abhängig sind, weil die Ticketverkäufe nur einen kleinen Teil der Kosten decken. Das alles kann einem schon Sorgen machen, wenn man einmal zwanzig oder dreißig Jahre voraus in die Zukunft denkt. Wir wollten einen anderen Ansatz ausprobieren, der eine starke Präsenz in den sozialen Netzwerken nutzt. Dass das funktioniert, zeigen uns Rückmeldungen auf unsere Videos wie „Nur wegen euch habe ich angefangen Geige zu spielen!“.

Yang: Ja, oder Leute sagen uns, dass sie nach Jahren wieder zu ihrem Instrument gegriffen haben. Sogar Menschen, die noch nie ein Klassikkonzert besucht haben, sind plötzlich neugierig darauf. Wir können etwas bewegen!

Ihr setzt diesen Herbst eure erste Welttournee fort, die ihr auf ungewöhnliche Weise finanziert habt. Das Startkapital habt ihr euch auf den Straßen von Sydney und per Crowdfunding erspielt.

Chen: Bei dieser Kampagne haben wir uns gedacht: Wenn das hinhaut und Menschen freiwillig Geld geben für etwas, das sie sehen wollen, könnte das ein neuer Weg sein, um Projekte und Tourneen im klassischen Bereich zu finanzieren – gerade für junge Musiker! Also haben wir fünf Tage lang auf der Straße unsere Performances präsentiert und sogar draußen übernachtet. Wir waren in dieser Zeit quasi obdachlos, aber wir wollten erst aufhören, wenn wir unser Ziel erreicht haben.

Yang: Das war fast schon Mentaltraining zur Abhärtung. Was passiert, wenn keiner mitmacht? Dann müssen wir für immer auf der Straße leben (lacht)!

Wie kann man sich eure Live-Shows vorstellen?

Chen: Natürlich wird viel Geige gespielt, rumgeblödelt und gelacht. Ohne zu viel zu verraten, werden wir Musik und Gags in eine übergeordnete Story einbinden. Das wird ein großes Abenteuer fürs Publikum und vielleicht manchmal auch etwas chaotisch. Neben mir und Brett sind dabei auch legendäre Charaktere aus unseren YouTube-Videos am Start.

Habt ihr irgendeine Art von Übersetzung bei euren Auftritten dabei?

Yang: Natürlich sind wir uns der Sprachbarriere bewusst. Aber bislang mussten wir tatsächlich nur einmal eine Show in Taiwan anpassen, wo wir die eine Hälfte auf Englisch und die andere in Mandarin gemacht haben.

Chen: Die meisten Leute schauen ja auch unsere Videos im Original. Außerdem erklären sich die meisten unserer Witze von selbst, weil sie sehr interaktiv und visuell sind. Selbst Menschen, die kein Englisch sprechen, dürften sich also gut unterhalten fühlen.

TwoSet Violin
TwoSet Violin © Eddy Chen

Ich habe gelesen, dass ihr an eurem ersten Studio-Album arbeitet …

Yang: Echt, tun wir das?

Chen: Sorry, Brett. Ich habe vergessen dir Bescheid zu sagen. Das muss morgen fertig sein!

An dem Gerücht ist also nichts dran?

Yang: Vielleicht haben wir mal so etwas im Zusammenhang mit unserer Kickstarter-Kampagne gesagt. Wir hatten überlegt, einen Auftritt aufzunehmen für ganz besondere Supporter, aber nicht im Sinne eines klassischen Studio-Albums.

Was könnt ihr jemandem empfehlen, der ein Instrument lernen möchte?

Yang: Du solltest vor allem ein Verständnis für dein Instrument entwickeln und es wertschätzen. Denn wenn du keinen Spaß hast, bist du am Ende nur genervt. Gerade wenn es um die Violine geht, ist das wichtig. Auf der Geige kannst du nicht von Anfang an gleich einen schönen Klang produzieren. Das braucht Zeit und kann einen schon einschüchtern und frustrieren. Dann ist es gut, wenn du einen Freund an deiner Seite hast, der das Instrument auch lernt und mit dem du gemeinsam üben kannst.

Normalerweise wird ja zwischen U- und E-Musik unterschieden. Findet ihr diese Trennung zwischen Klassik und beispielsweise Pop nachvollziehbar oder ist gute Musik für euch einfach gute Musik?

Chen: Das ist eine schwierige Frage. Früher war klassische Musik ja der Mainstream, also das, was man gehört hat. Das ist mittlerweile natürlich anders. Heute geht es vermutlich eher darum, wie man diesen oder jenen Stil nach außen repräsentiert und voneinander abgrenzt. Durch die Medien und das Internet wird ja quasi alles zu seiner eigenen Kategorie. Ich persönlich finde es jedenfalls schwierig, Klassik und Pop miteinander zu vergleichen. Vielleicht könnte man es herunterbrechen auf die Tatsache, dass man für Klassik tendenziell eine fundiertere kulturelle Vorbildung benötigt, um sie in ihrer Komplexität wirklich zu verstehen, während man Pop im Vergleich dazu leichter konsumieren kann – einfach weil die Songs so konzipiert sind.

Yang: Unsere Mission ist es, unsere Liebe für die Klassik in die Welt zu tragen. Wir wollen zeigen, wie viel sie zu bieten hat, und sie wieder mehr ins Bewusstsein holen. Mir hilft klassische Musik zum Beispiel oft dabei abzuschalten und mich zu fokussieren. Pop hat eine andere Energie, mit der das bei mir nicht so gut funktioniert. Das heißt aber nicht, dass es zwischen U- und E-Musik einen Krieg nach dem Motto „Das ist gut. Das ist schlecht.“ geben sollte. Vielmehr sollten wir doch alle den individuellen Geschmack des jeweils anderen respektieren.

TwoSet Violin treffen auf Lang Lang und das Sydney Symphony Orchestra:

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Mehr Informationen

concerti-Tipp:

TwoSet Violin

Berlin
8.10..2018, 19:00 Uhr, Universität der Künste (Joseph-Joachim-Konzertsaal)

München:
11.10.2018, 19:00 Uhr, Gasteig (Kleiner Konzertsaal)

Frankfurt am Main:
14.10.2018, 19:00 Uhr, SAALBAU Gallus

Hamburg
15.10.2018, 20:00 Uhr, Laeiszhalle (Studio E)

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