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Spielstättenporträt Sendesaal

Eine akustische Legende

Der große Sendesaal im Haus des Rundfunks

vonKati Faude,

„Schaffe, Künstler, rede nicht!“, wehrte Hans Poelzig die Presse ab, als im Januar 1931 das von ihm konzipierte Haus des Rundfunks unweit von Funkturm und Messegelände in Betrieb genommen wurde. Mit seinem im Stil zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit angesiedelten Entwurf vereinte der bekannte Professor und Werkbund-Aktivist moderne Form mit Funktionalität und schrieb zugleich Architektur- und Mediengeschichte. Es grenzte schon an ein Wunder, dass das Vorhaben nach nur 19 Monaten Bauzeit fertig war. In der Weltwirtschaftskrise wurde manches Großprojekt der Weimarer Republik wieder ad acta gelegt. Das Haus in der Masurenallee aber, in das die Funk-Stunde A.G. aus dem Vox-Haus am Potsdamer Platz wechselte, hatte Priorität, war es doch ein Meilenstein in der jungen Radioära.

Das wuchtige Gebäude, dessen Grundriss einem Dreieck mit zwei geschwungenen Seiten ähnelt, forderte zu Vergleichen mit einem Kastell oder Schiff heraus. Es bot Platz für drei durch Bürotrakte vom Außenlärm abgeschirmte Säle in radialer Anordnung und mit leicht konischem Schnitt. Der mit 1740 Quadratmetern größte zentrale Aufnahmeraum wurde jedoch erst zwanzig Monate später eingeweiht. Die Verzögerung war der Suche nach dem ultimativen Klang geschuldet: Der Baumeister hatte den „Großen Sendesaal“ als Haus-im-Haus-Konstruktion, also auf selbständigen Fundamenten und mit eigenen Wänden, errichtet, um die Übertragung störender Schallwellen zu verhindern.

Doch niemand wusste, wie die Technik bei derart gigantischen Dimensionen zu sein hatte. Das Trapez sah 740 Plätze im ebenen Parkett und 364 auf der umlaufenden Galerie sowie auf dem Podium eine Fläche für 200 Mitwirkende vor. Die Namen der Betreiber und Hausherren wechselten in der Folgezeit bis zur Gleichschaltung als „Großdeutscher Rundfunk“. Fast unversehrt überstand der Studiokomplex den Krieg und wurde im Mai 1945 wiedereröffnet, nun unter der sowjetischen Besatzungsmacht, die das Gelände, obwohl im britischen Sektor gelegen, bis 1952 als Enklave für den von ihr kontrollierten Berliner Rundfunk besetzte.

Nach Demontage und Umzug in die Ostberliner Nalepastraße brach ein langer Leerstand für das Baudenkmal an. Erst 1956 wurde das verwahrloste „Haus des Schweigens“ an den Sender Freies Berlin, der seit kurzem am Heidelberger Platz arbeitete, übergeben. Die Restaurierung veränderte auch das repräsentative Herzstück: Der Einbau theaterartig ansteigender Sitzreihen verkleinerte das Volumen. Die 1081 Klappsitze bekamen Lochungen, wodurch die Stühle im unbesetzten Zustand fast dasselbe Absorptionsverhalten wie bei Anwesenheit von Zuschauern erhielten. Doch die ursprüngliche Rasterdecke blieb – und mit ihr die legendäre Resonanz des Aufzeichnungs- und Aufführungsortes. Im Zuge der Fusion mit dem ORB erfolgte nach der Jahrtausendwende eine weitere Sanierung. Nicht nur Musikproduktionen und Veranstaltungen des RBB finden hier statt, sondern auch Proben des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin oder Fremdeinmietungen für Konzerte. Die Liste der hochkarätigen Referenzen ist lang: Shirley Bassey und Norah Jones, Jethro Tull und Radiohead, Leonard Bernstein und selbst die Philharmoniker haben den prominenten „Saal 1“ bereits als Bühne für ihre Auftritte auserkoren.

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