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Alte Oper Frankfurt: „Mitten am Rand“

Konzepte vom „Eigenen“ und „Fremden“ aufbrechen und überwinden

Das Alte-Oper-Festival „Mitten am Rand“ stellt sich zum zweiten Mal gegen westlich-abendländische Denk- und Hörmuster.

vonStefan Schickhaus,

„Wir starteten nicht mit einer politischen Agenda, merkten aber im Laufe der Zeit, wie viele Hürden und Strukturen es gibt, die bestimmte Traditionen und Menschen privilegieren und andere exkludieren. Wir sind längst eine postmigrantische Gesellschaft, die aber vergleichsweise selten in den Konzerthäusern abgebildet wird“ – das sagt der in Neu-Delhi geborene und in Bielefeld aufgewachsene Ketan Bhatti, einer der Gründer des multi-ethnisch besetzten Trickster Orchestra. Als „trans-traditionell“ bezeichnet er die Musik dieses Ensembles – „damit wollen wir vor allem ausdrücken, dass es uns nicht darum geht, die verschiedenen Musiktraditionen, die es auf der Welt gibt, nebeneinander zu stellen und in so etwas wie einen Dialog zu bringen, sondern vielmehr eine eigenständige Musiksprache zu entwickeln, die diese vermeintlichen Konzepte vom ,Eigenen‘ und ,Fremden‘ infrage stellt.“

Das Trickster Orchestra, aber auch andere Künstler und Ensembles bekommen nun zum zweiten Mal in Frankfurt ein eigenes, dreitägiges Festival. „Mitten am Rand“ heißt es, das Konzerthaus Alte Oper hat es konzipiert, und dessen Intendant Markus Fein sagt dazu: „Im Festival möchten wir die üblichen Zuschreibungen aufbrechen: Was ist fremd – was ist vertraut? Was ist entlegen – was ist nah?“

Multinationales und -kulturelles Frankfurt birgt viele Schätze

Unter den Gästen sind die Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels 2021 Tsitsi Dangarembga und Musikerinnen des afghanischen Frauen­orchesters Zohra, die nach der Machtübernahme durch die Taliban das Land verlassen mussten und in Portugal Gruppenasyl bekamen. Auch eine ganz klassische Sinfonieorchester-Besetzung ist mit dabei: das von der Kontrabassistin Chi­chi Nwanoku in London gegründete Chineke! Orchestra, das ein wichtiges Signal für ethnische Vielfalt in der Klassikszene setzt. Die jungen Musikerinnen und Musiker aus an die 30 Ländern haben es sich zur Aufgabe gemacht, „die Vielfalt zu feiern“, denn als Schwarze oder People of Colour haben sie hinlänglich erfahren, was es bedeutet, sich in einer nach wie vor vornehmlich durch Weiße geprägten Kulturwelt zu behaupten.

Doch mit den Worten des Alte-Oper-Intendanten Fein kann das Konzerthaus „auch unmittelbar vor der Haustür beginnen, denn unser multinationales, multikulturelles Frankfurt birgt viele Schätze, die es unbedingt verdienen, gesehen und gehört zu werden.“ Nicht zuletzt das Bridges-Kammerorchester ist damit gemeint, es vereint Musiker aus den verschiedensten Weltregionen, etliche von ihnen mit einer persönlichen Fluchtgeschichte.

Den klassisch-eurozentristischen Konzertbetrieb jenseits der westlich-abendländischen Denk- und Hörmuster neu zu begreifen: Das Festival „Mitten am Rand“ rührt an einem großen Thema.

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