Was fasziniert Sie persönlich an der Oper „Carmen“?
Daniel Serafin: George Bizet hat in seiner letzten Oper grandiose Rhythmen und Melodien geschaffen, sei es Habanera, Blumenarie, Torero-Lied, Seguidilla oder Intermezzi. All diese Musikstücke sind über die Opernbühnen hinaus bekannt. Die Opernheldin Carmen ist äußerst faszinierend. Die Librettisten Meilhac & Halévy haben sie als selbstbewusste und begehrenswerte Frau geschaffen, die durch ihre unersättliche Sehnsucht nach Freiheit beeindruckt. Ihr dramatisches Schicksal wird uns auf packende Weise vor Augen geführt, insbesondere im dramatischen Höhepunkt des Finales, welches meiner Meinung nach in Wort und Musik ein geniales Ende findet.
Ihre musikalische Karriere haben Sie als Bariton begonnen. Wie hilft Ihnen die Bühnenerfahrung als Intendant?
Serafin: Die Erfahrungen, die ich als Opernsänger auf der Bühne gesammelt habe, sind für mich als Intendant von unschätzbarem Wert. Eine Opernproduktion ist wie ein Haus, bei dem viele verschiedene Bausteine perfekt zusammengeführt werden müssen, um ein erfolgreiches Werk zu schaffen. Durch meine berufliche Erfahrung in Opernbetrieben konnte ich mein Wissen stets weiter ausbauen und erweitern. Es ist für mich eine treibende Kraft, die richtigen Köpfe zusammenzubringen, um künstlerisch innovativ und wirtschaftlich erfolgreich Projekte umzusetzen zu können.
Das Bühnenbild von „Carmen“ wird ein gigantisches Filmset der fünfziger Jahre sein. Lieben Sie Glamour?
Serafin: Meine Leidenschaft gilt nicht unbedingt dem Glamour an sich, sondern der Faszination, die er auf unsere Gesellschaft ausübt. Das Bühnenbild von Alessandro Camera wird uns in eine cineastische Welt der Vergangenheit entführen, ohne dabei auf Projektionen zurückzugreifen. Hierbei bewegt sich die Produktion auf zwei Zeitebenen: Das Hollywood-Filmset ist an die fünfziger Jahre angelehnt, die eigentliche Handlung wiederum an die dreißiger Jahre. Es wird eine Geschichte auf mehreren sich drehenden Bühnen simultan erzählt, die das Publikum in ihren Bann ziehen wird. Ein einmaliger Besuch von „Carmen“ wird somit nicht ausreichen, um alle Storyboards zu verfolgen. Man muss öfters kommen (lacht). Die Faszination von Glamour besteht bereits seit der Antike und hat im Laufe der Jahrhunderte nichts von ihrer Anziehungskraft verloren, sondern sich lediglich verändert.
4.760 Plätze fasst das Areal, die Bühne ist 4.000 Quadratmeter groß. Der logistische und personelle Aufwand ist enorm. Auf welche Fähigkeit kann man als Intendant solch einer Großproduktion auf keinen Fall verzichten?
Serafin: Ganz klar, auf die Fähigkeiten eines tollen Teams kann man bei solch einer Produktion nicht verzichten. Und ich bin in der glücklichen Lage, neben einem internationalen Leading Team und weltweit engagierten Künstlern über 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu haben, die ihr ganzes Herzblut für die Abwicklung des Projekts geben.
Sie zeichnen seit 2016 auch für den „Viennese Opera Ball“ in New York verantwortlich. Welche Kniffe und Erfahrungen nimmt man als Kulturmanager aus Amerika mit?
Serafin: Ich empfinde es als große Bereicherung, sowohl an der renommierten Juilliard School in New York studiert zu haben als auch seit 2016 für den ältesten Auslandsball Wiens mitverantwortlich sein zu dürfen. In den USA herrschen eine andere Denkweise und Arbeitskultur als in Europa. Dort wird viel mehr auf die Möglichkeiten und Chancen fokussiert, es gibt weniger Einschränkungen und Hindernisse. Diese Mentalität hat mir geholfen, wettbewerbsfähiger zu denken und zu handeln sowie schnell Ideen und Gedanken, die nicht funktionieren, zu verwerfen. Das Motto „time is money“ ist hier oft präsent und prägt auch meine Arbeitsweise im Kulturmanagement.
Wie sieht der kulinarische Teil der Oper im Steinbruch aus?
Serafin: In der Opernlounge können die Besucherinnen und Besucher wie immer ein besonderes kulinarisches Erlebnis genießen. Neben köstlichen Speisen aus der spanischen Küche werden auch exklusive Weine vom renommierten Weingut Esterházy serviert. Besonders erwähnenswert ist, dass das Weingut Esterházy dieses Jahr einen eigenen „Carmen“ Rot- und Weißwein produzieren wird, mit einem Etikett, das von der Kostümbildnerin Carla Ricotti gestaltet wurde und Carmen sowie den Toreador Escamillo zeigt. Ich hatte bereits die Gelegenheit, den Wein zu probieren, und es war eine wahre Gaumenfreude.
Genussmensch, Kosmopolit, Perfektionist: Welche Beschreibung trifft am ehesten auf Sie zu?
Serafin: Für mich ist das eine schwierige Frage, da ich nicht glaube, dass man sich auf nur eine Beschreibung reduzieren kann. Ich würde sagen, dass ich ein Mensch bin, der das Leben und seine Vielfalt genießt und offen für neue Erfahrungen und Kulturen ist. Gleichzeitig lege ich großen Wert auf Qualität und Details, sei es in der Arbeit oder im Alltag. Perfektion ist jedoch ein Ideal, dem man zwar nacheifern kann, das man aber nie ganz erreichen wird. Daher würde ich sagen, dass ich eher ein Perfektionist im Sinne von „stets das Beste geben“ bin, als dass ich tatsächlich perfektionistische Züge habe.
Was passiert mit den Bühnenaufbauten nach der letzten Vorstellung?
Serafin: Nach dem Ende der Produktion und dem Abbau der Bühnendekoration wird diese für den guten Zweck verkauft. Das machen wir schon seit einigen Jahren und wir freuen uns mit den Erlösen unterschiedliche Vereine zu unterstützen, darunter das Rote Kreuz oder die Freiwillige Feuerwehr St. Margarethen.