Richard Strauss, der letzte große Romantiker, wie er oft genannt wird – wo könnte man besser auf seinen gleichsam in die Weite wie in die Tiefe führenden musikalischen Pfaden wandeln als in Garmisch-Partenkirchen? In Garmisch lässt der große Tonschöpfer 1906 eine luxuriöse Jugendstilvilla errichten, die er zwei Jahre später mit seiner Familie bezieht. Bis zu seinem Tod entstehen hier so epochale Orchester- und Bühnenwerke wie „Eine Alpensinfonie“, „Der Rosenkavalier“ oder „Die Frau ohne Schatten“.
„Diese ganz großen Werke können wir im Festsaal des Kongresshauses natürlich nicht aufführen“, sagt Dominik Šedivý, der seit 2018 das Richard-Strauss-Institut in Garmisch-Partenkirchen leitet und seit 2020 auch die künstlerische Ausrichtung der Richard-Strauss-Tage verantwortet. Für die immerhin auch recht groß besetzte sinfonische Dichtung „Aus Italien“, die gleichsam das musikalische Zentrum des diesjährigen Festivalschwerpunkts „Italien“ bildet, reicht die Bühne aber aus. „Ich habe nie so recht an die Anregung durch Naturschönheiten geglaubt; in den römischen Ruinen bin ich eines Besseren belehrt worden, da kamen die Gedanken nur so angeflogen“, schrieb der junge Richard Strauss einst an seinen väterlichen Freund Hans von Bülow.

Sehnsuchtsvoller Charakter
Wie sehr er sich auch von der idyllischen Abgeschiedenheit seiner heimischen Bergwelt inspirieren ließ, das können Besucherinnen und Besucher unmittelbar nachempfinden, wenn die Richard-Strauss-Tage vom 21. bis 29. Juni 2025 in 23 Veranstaltungen die Musik ihres Namensgebers und deren vielfältige Bezüge im Einklang mit der majestätischen Alpenlandschaft feiern. Während im sinfonischen Finale der Conductor in Residence Rémy Ballot mit dem Münchner Rundfunkorchester Strauss’ melancholischen Blick auf das Mittelmeerland mit Mendelssohns „Italienischer“ Sinfonie zu einem kontrastreichen Stimmungsgemälde zusammenfügt, umrahmt von Orchesterliedern mit Sopranistin Joo-Anne Bitter, spielen die Nymphenburger Streichersolisten beim Eröffnungskonzert das beliebte Streichsextett aus „Capriccio“, gefolgt von den Variationen über „Das Dirndl is harb auf mi“. Auch mit Schuberts „Forellenquintett“ wird das ländliche Sujet an diesem Abend noch einmal aufgegriffen. Der Name Franz Mikorey indes, der hier mit einem Klaviertrio ins Spiel gebracht wird, dürfte nur wenigen bekannt sein.
„Es ist mir wichtig, auch Raritäten zu präsentieren. Mit Komponisten wie Robert Volkmann, Franz Lachner, Heinrich G. Noren oder in diesem Jahr Strauss’ Zeitgenosse Franz Mikorey, der in Garmisch-Partenkirchen gelebt hat, möchten wir den regionalen Bezug des Festivals betonen“, sagt Dominik Šedivý. Dieser Bezug wird lokal auch durch zwei Musikwanderungen auf Bergwiesen, einem Schauspielspaziergang durch Garmischer Gassen, einer Open-Air-Matinee im Michael-Ende-Kurpark sowie durch die malerische Kulisse eines Berggasthofs unterstrichen, wo der Wiener Tenor Herbert Lippert mit den Philharmonia Schrammeln zum heiteren Dinner-Konzert lädt.

Den ganzen Ort zum Konzertsaal erheben
Im Kongresshaus sind selbstredend die Werke von Strauss Dreh- und Angelpunkt des musikalischen Geschehens: Hier locken das Sinfonieorchester „Wilde Gungl“ und Solist Ramón Ortega Quero mit der sommerlich-heiteren Idylle des Oboenkonzerts, hier begleitet Pianist Gerold Huber die Schweizer Sopranistin Chelsea Zurflüh und den in Heidenheim geborenen Bariton Gerrit Illenberger durch einen Strauss-Liederabend, und auch die jungen Sängerinnen und Sänger des von Koloratursopranistin Marlis Petersen geleiteten Meisterkurses lassen ihre Stimmen romantisch aufblühen. Nicht zuletzt nähern sich im Festsaal Kinder und Jugendliche der Bürgermeister-Schütte-Schule Strauss’ Tondichtung „Aus Italien“ in einem Tanzprojekt. Gesungen wird auch im Pavillon des Kurparks Partenkirchen. Hier gestalten die Mezzosopranistin Ilme Stahnke, der Pianist Friedrich Szepansky und die Musikkapelle Partenkirchen einen gemeinsamen Strauss-Abend.
Fokus Kammermusik
Als ein wichtiges Standbein der Richard-Strauss-Tage etablierte Dominik Šedivý indes die Kammermusik, die dieses Jahr in drei Konzerten erklingt, von denen zwei vergleichsweise groß besetzt sind: „Als Höhepunkt werden wir unseren fünfjährigen Kammermusikzyklus abschließen. Im Rahmen des Festivals wurden dann seit 2021 alle wesentlichen Kammermusikwerke von Strauss aufgeführt, von der Cello- und Violinsonate, der ,Daphne‘-Etüde über die Trios und Streichquartette bis hin zu den späten großen Bläser-Sonatinen ,Fröhliche Werkstatt‘ und ,Aus der Werkstatt eines Invaliden‘, die in diesem Jahr auf dem Programm stehen.“ Aber auch auf das Klavierquartett c-Moll darf man sich freuen (wieder in Begleitung eines Werks von Franz Mikorey) und auf den Festmarsch C-Dur, den Strauss der „Wilden Gungl“ zum 25-jährigen Jubiläum gewidmet hat.

In Garmisch-Partenkirchen ist es das Gebirgsmusikkorps der Bundeswehr, das mit diesem Stück sein Konzert eröffnet. Ob hochkarätig besetzte Konzerte, entspannte Kennenlern- und Unterhaltungsangebote oder Nachwuchsprojekte – die Mischung überzeugt. „Wir haben letztes Jahr im Vergleich zum Vorjahr unsere Besucherzahl verdoppelt. Ich bin hoffnungsvoll und zuversichtlich, dass es weiter aufwärts geht“, freut sich Šedivý, der zusammen mit einer erlesenen Schar von Musikerinnen und Musikern in der Berührung von Musik, Natur und bayerischer Lebenskultur jene künstlerische Atmosphäre wieder lebendig werden lässt, die Richard Strauss einst zu seinen schönsten Werken inspirierte.