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INTERVIEW LAUMA SKRIDE

Musik ist das Natürlichste überhaupt

Warum die Pianistin Lauma Skride nicht neidisch auf ihre Schwestern ist

vonArnt Cobbers,

Lauma Skride gehört zur derzeit erfolgreichsten Musiker-Familie. Ihre Schwester Linda ist Bratscherin, Baiba spielt Geige, Lauma, als Jahrgang 1982 die jüngste, ist Pianistin – und eine fröhliche Gesprächspartnerin. Als wir uns treffen, ist sie gerade von einer Reise nach Nepal und Tibet zurückgekehrt, am nächsten Tag reist sie zu Konzerten nach Kroatien. Nun sitzen wir in ihrer Wohnung mitten in Berlin-Mitte, wo sie seit zwei Jahren wohnt. Zuvor hatte sie neun Jahre in Hamburg gelebt.

Frau Skride, stört es Sie manchmal, dass Sie nur eine von mehreren musikmachenden Skrides sind?
Ich finde, es ist ein Privileg, dass ich in so einer musikalischen Familie großgeworden bin. Viele Menschen müssen überlegen, was sie in ihrem Leben machen wollen. Das musste ich nie. Mir war immer klar, dass ich Musikerin werden will.

Waren Ihre Eltern Musiker?
Meine Mutter ist Pianistin, sie arbeitet als Korrepetitorin an der Musikhochschule in Bremen. Mein Vater war Chordirigent. Und meine Großmutter war früher Musiklehrerin, unser Zuhause war voller Musik. Manche Leute sagen, man hätte keine Kindheit, wenn man immer nur übt. Natürlich haben wir viel geübt. Aber ich habe das nie als Zwang empfunden, das gehörte einfach zum Tagesablauf. Durch meinen Vater sind wir fast in Chören aufgewachsen. Da hat man Spaß mit anderen Kindern, das ganze Drumherum ist so schön, da wird Musik nicht zur Pflicht, sondern ist das Natürlichste überhaupt.

Ihre Schwestern spielen Geige und Bratsche, warum haben Sie nicht Cello gelernt?
Ich wollte Cello spielen, aber meine Mutter meinte, das sei zu groß. Ich war sehr klein als Kind. Ich bin froh, dass ich Klavier spiele, ich könnte mich mit einem anderen Instrument gar nicht identifizieren. Es ist ein Orchester im Kleinen. Man hat so viele Farben zur Verfügung, man kann so viel Repertoire spielen, auch wahnsinnig tolle Stücke!

Wann kam denn der Schritt auf die Bühne?
Als ich zwei Jahre alt war, waren meine Eltern verreist, und unsere Großmutter hat mit uns dreien ein Lied eingeübt, das sollten wir singen, wenn Mama und Papa wiederkommen. Das war unser erster gemeinsamer Auftritt. (lacht) Unser Vater hat immer gesagt, es ist wichtig, dass wir Bühnenerfahrung sammeln. Wir sind schon früh zusammen aufgetreten, wir haben in jeder Musikschule in Lettland gespielt. Manche Leute sagten: Oh Gott, der verrückte Skride, der zwingt schon wieder seine armen Töchter, auf die Bühne zu gehen. Aber dadurch haben wir es leichter heute, und damals war es für uns ein Spaß, ein schöner Ausflug.

Wurden Sie als Wunderkinder vermarktet?
Ich glaube schon. Aber unsere Eltern haben es uns sehr gut beigebracht, dass wir uns nicht als etwas Besonderes betrachten. Wir wurden als normale Kinder erzogen und haben auch nie Druck gespürt. Wenn die Eltern alles darauf setzen, dass man Karriere macht, dann kann es sein, dass man wahnsinnig leidet, wenn es nicht klappt. Das war bei uns nie so. Wir hatten natürlich auch viel Glück, dass sich alles so positiv entwickelt hat. Ich habe nie darüber nachgedacht, die Musik aufzugeben. Ich kann überhaupt nichts anderes. (lacht)

Haben Sie nie den Druck gespürt, dem man als Profi ausgesetzt ist?
Doch. Als ich jünger war, war ich ständig nervös, bis ich mir eines Tages gesagt habe: Wenn ich mein ganzes Leben lang spielen will, muss ich damit aufhören. Man setzt sich ja nur selbst unter Druck. Ich habe darüber nachgedacht, was mir am meisten Angst macht, und habe mir Methoden ausgedacht, wie ich damit umgehe. Bis jetzt funktioniert es.

Haben Sie Rituale vor dem Konzert?
Ich finde es gefährlich, wenn man sich an einem bestimmten Muster festhält – es kommt so oft etwas dazwischen. Wenn es geht, versuche ich am Konzerttag mittags etwas zu schlafen. Und ich gehe immer nochmal das Stück durch. Auch wenn ich etwas auswendig lerne, lerne ich ohne zu spielen. Ich habe als Kind immer andere Stücke geübt, als mir meine Lehrerin aufgegeben hatte, was zu dem Ergebnis führte, dass ich die auf den letzten Drücker lernen musste. Seitdem lerne ich schnell, und ich kann auch gut vom Blatt lesen. Als Teenager habe ich für meinen Vater als Korrepetitorin gearbeitet, und er hat immer vergessen, mir zu sagen, was er proben wollte. Ich kam zur Probe, und dann standen da Noten, die ich nicht kannte und die ich spielen musste. Ich habe geflucht ohne Ende, aber jetzt denke ich, es war ein gutes Training.

Wie war es, als Baiba plötzlich Karriere machte und Sie noch nicht?
Als Baiba den Königin-Elisabeth-Wettbewerb gewann, hatte ich gerade erst angefangen zu studieren. Das war kein Problem. Wir sind alle drei enge Freundinnen. Dass ich mein Verhältnis zu Baiba ruiniere aus Neid auf ihre Konzerte, das wäre für mich unvorstellbar. Es ist doch wunderbar: Nicht nur dass ich meine Leidenschaft, die Musik, zu meinem Beruf gemacht habe – ich kann auch noch mit meiner Schwester zusammenarbeiten.

Können Sie einander noch überraschen?
Oh ja. Wir sind uns sehr ähnlich, und vieles ergibt sich von allein, wenn wir Stücke erarbeiten. Aber auf der Bühne muss eine grundsätzliche Spontaneität möglich bleiben. Wir können wahnsinnig schnell aufeinander reagieren und wir können uns auch ohne Augenkontakt gegenseitig wieder einfangen.

Warum sind Sie alle nach Deutschland gekommen?
Das war Zufall. Als meine Schwestern in Deutschland anfingen zu studieren, hat mich meine Mutter gefragt, ob ich nicht mitwollte. Aber ich hatte eine Super-Lehrerin in Riga, so bin ich geblieben. Dann fand ich es aber schon schwierig ohne meine Schwestern. Außerdem wollte ich irgendwo hin, wo mich keiner kennt, und es da schaffen. Als ich dann Volker Banfield kennengelernt habe, dachte ich, bei ihm in Hamburg zu studieren wäre die perfekte Lösung. Und so bin ich direkt nach dem Abitur nach Hamburg gekommen.

Sie haben anfangs sehr viel Kammermusik gemacht, jetzt treten Sie immer häufiger als Solistin auf.
Das hat sich so ergeben. Ich würde Kammermusik nie aufgeben wollen. Ein Solokonzert macht auch Spaß, aber es ist blöd, nach dem Konzert allein essen zu gehen und sich nicht mit anderen darüber unterhalten zu können, wie es gelaufen ist. Dabei bin ich eigentlich gern allein und verreise auch immer allein, wenn ich nicht spielen muss.

Alle Musiker klagen, dass sie herumreisen müssen. Und Sie reisen zum Vergnügen?
Ich finde die langen Bahnfahrten und Flüge zu den Konzerten auch furchtbar. Aber ohne Klavier zu verreisen, ist wunderbar. Ich nehme keine Noten und nichts mit, was mit Musik zu tun hat. Und ich fahre immer irgendwohin, wo man mich nicht erreichen kann. Keiner kann mich fragen, ob ich kurzfristig einspringen kann. Irgendwann habe ich gemerkt: Das Reisen ist für mich genauso wichtig wie das Klavierspielen. In eine völlig fremde Welt zu fahren, wo man als Musiker nie hinkommen würde, empfinde ich als unglaubliche Bereicherung. Wenn ich nicht Musikerin wäre, wäre Reisejournalistin mein Traum.

Wo geht die nächste große Reise hin?
Ich überlege noch. Ich denke monatelang nach und wälze Reiseführer, aber entscheide immer spontan. Ich bin von Asien infiziert, ich würde gern mal mit der Eisenbahn nach Peking fahren. Aber vielleicht geht meine nächste Reise doch nach Afrika.

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