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Interview Nino Machaidze

„Es war nicht besonders schwer“

Warum die georgische Primadonna Nino Machaidze so gerne Pasta isst

vonJakob Buhre,

Die Sopranistin Nino Machaidze (gesprochen Matscha-idse) ist einer der Shooting-Stars der Opernszene. Seit sie 2008 für Anna Netrebko bei den Salzburger Festspielen einsprang, haben sich ihr die Türen aller großen Opernhäuser der Welt geöffnet. In Deutschland ist die 1983 in Georgien geborene Sopranistin nur selten zu erleben.

Frau Machaidze, der Tenor Vittorio Grigolo, mit dem Sie im Juni in ihrer Wahlheimat Mailand auf der Bühne standen, sagt, dass er am Tag einer Opernaufführung nicht mehr spricht.

Das mache ich genauso. Zumindest versuche ich, ganz wenig zu reden. Klar, wenn jemand anruft, gehe ich dran. Ich spreche mit meinem Freund und mit meinem Vater. Aber nur das Notwendigste.

Wie verbringen Sie den Tag vor der Vorstellung?

Ich mag es, die Städte zu erkunden, ich laufe viel herum, gehe shoppen, ich bin eigentlich den ganzen Tag vor der Aufführung draußen. Es ist nur wichtig, nicht zu sprechen. Sprechen ist in dem Moment wirklich schlecht für die Stimme.

Rolando Villazón musste vor einigen Jahren pausieren, weil er seine Stimme überbeansprucht hatte. Existiert diese Gefahr auch für Sie?

Wir Sänger mögen es so sehr, auf der Bühne zu sein, zu singen und in Kontakt mit dem Publikum zu stehen. Da fällt es oft schwer, Nein zu sagen, wenn die Rollen wunderbar und die Theater groß sind. Es ist wichtig zu verstehen, wie deine Stimme reagiert. Gott sei Dank habe ich bisher noch keine Probleme. Ich versuche aber, zwei, drei Tage vor einer Vorstellung Ruhe zu haben und auch möglichst keine Produktionen parallel zu machen. Zwischen Proben und Aufführungen hin- und herzureisen ist sehr gefährlich.

Haben Sie bestimmte Rituale vor einem Auftritt?

Ich esse gerne Pasta vor einer Vorstellung, mit Olivenöl und Parmesan. Das ist gut für den Magen und gibt mir Energie. Manchmal nehme ich noch extra Vitamin C. Und ich singe nie ohne Warm-Up. Ich muss zwei Stunden vorher im Theater sein, dann fange ich mit einfachen Vokalisen an und wärme langsam die Stimme auf.

Empfinden Sie Druck, wenn Sie auf der Bühne stehen?

Überhaupt nicht. Ich habe dieses Gefühl vor zwölf Jahren hinter mir gelassen, als ich in Georgien mein Operndebüt gegeben habe. Damals war ich ein bisschen nervös. Aber danach habe ich mich gefragt: Warum eigentlich? Ich liebe es doch so sehr zu singen und auf der Bühne zu sein. Das ist die pure Freude. Diese fantastischen Opernhäuser, das tolle Publikum, die tollen Kollegen, die wunderbaren Rollen, die ich singe – die Freude darüber ist so groß, dass alles andere nicht existiert.

Und bei den Salzburger Festspielen 2008, als alle Welt darauf schaute, wie Sie die schwangere Anna Netrebko vertreten, da waren Sie auch nicht aufgeregt?

Nein, alle Journalisten haben mich damals gefragt, ob ich aufgeregt sei – aber ich war nicht nervös. Ich war einfach nur glücklich über die Rolle, die Kollegen und das Publikum.

Haben Sie mal eine Vorstellung abgesagt?

Ein einziges Mal. Ich habe auch schon mal mit einer richtig starken Erkältung gesungen. Ich wollte die Leute, die gekommen waren, um mich zu sehen, nicht enttäuschen. Also bin ich ins Theater gegangen, habe ein bisschen probiert, mir ging es schlecht, aber der Stimme gut, und so habe ich ansagen lassen, dass ich mich schlecht fühle, aber trotzdem singe. Und der Abend war ein Erfolg.

Auf der Bühne war die Krankheit verflogen?

Ja, es ist unglaublich, was da passiert. Noch in der Garderobe musste ich ständig niesen, auf der Bühne war das komplett vorbei. Das machen das Adrenalin und die Konzentration.

Ihre Karriere erscheint sehr geradlinig: Gesangsunterricht, Konservatorium, Debüt in Tiflis, Opernakademie in Mailand, 2007 Debüt an der Scala, 2008 Debüt in Salzburg. War es tatsächlich so „einfach“?

Es war eigentlich nicht besonders schwer (lacht). Ich glaube, ich hatte einfach sehr viel Glück im Leben. Ich habe von Anfang an sehr viel gelernt, als kleines Mädchen schon habe ich immer versucht, mein Bestes zu geben und jeden Tag etwas dafür zu tun, Opernsängerin zu werden. Ich habe früh gemerkt, dass die Leute meinen Gesang liebten, sie haben mir ihr Vertrauen geschenkt. Als ich im Konservatorium von Tiflis sang, sagte der Direktor zu mir: „Du bist zwar jung, aber eine gute Sängerin, lass uns eine Opernpartie versuchen.“ So kam ich zu meinem Debüt als Zerlina, danach sang ich Gilda, Norina und Rosina. Es ging immer weiter.

Und die Oper führte Sie schließlich nach Italien.

Der italienische Botschafter in Georgien war ein großer Opernfan, er hörte mich, und wenig später bekam ich ein Stipendium, um nach Italien zu gehen und dort sechs Monate zu studieren. Das war ein Traum von mir, viele Gesangsstudenten bei uns gehen nach Italien. Dann gewann ich Wettbewerbe, sang Konzerte, im Theater – und ich kam auf die Akademie der Mailänder Scala, wo ich die Möglichkeit hatte, mit so großartigen Sängerinnen wie Leyla Gencer, Mirella Freni oder Luciana Serra zu arbeiten.

Woher kam überhaupt Ihre Faszination für die Oper?

Ich erinnere mich schon gar nicht mehr, wann ich das erste Mal sagte, dass ich Opernsängerin werden will, das ist so lange her. Ich bekam mit sechs Jahren Klavierstunden und habe dabei angefangen zu singen. Ich habe auch alles nachgesungen, was im Fernsehen lief. Und meine Mutter war ein großer Opernfan. Ich erinnere mich: Selbst in schlechten Zeiten, wenn es Probleme mit dem Strom oder wenig zu Essen gab, sind wir immer ins Theater gegangen. Und dort war es immer voll.

Was bedeutet für Sie das Wort „Diva“?

Gar nichts. Ich glaube, es gibt heute keine mehr. Wenn dich jemand heute als Diva bezeichnet, ist das auch ein Kompliment. Aber ich glaube, das ist eine Sache der Vergangenheit, heute ist alles einfacher und normaler.

Aber verändert einen der Aufstieg zu „Star-Ruhm“ nicht auch charakterlich?

Ich bin immer noch die gleiche Person wie vor ein paar Jahren. Ich war schon immer so, und ich hoffe, dass die Leute um mich herum das genauso sehen. Dieses arrogante Denken à la „Ich bin alles“ gefällt mir nicht, damit macht man sich auch keine Freunde.

Was ist das anstrengendste an Ihrer Arbeit?

Alleine zu sein. Meine Familie lebt in Georgien, mein Freund ist auch Sänger und viel unterwegs. Also bin ich viel alleine, das ist für mich am schwierigsten.

Und drei Stunden auf der Bühne zu stehen?

Das ist keine Anstrengung. Es ist sogar so: Wenn eine Vorstellung zu Ende ist, würde ich am liebsten nochmal von vorn anfangen. Weil ich so unglaublich viel Adrenalin im Körper habe. Deshalb kann ich nach einer Aufführung auch nicht einschlafen, da ist noch so viel Energie, auch durch den Applaus, den ich bekomme. Meistens schlafe ich erst morgens um fünf oder sechs Uhr ein.

Sie haben mit 28 schon viel erreicht – haben Sie noch Träume?

Viele meiner Träume sind wirklich schon in Erfüllung gegangen. Es war mein Traum, an der Met zu singen, in Deutschland, in Italien, in Österreich – das ist das, was ich wollte. Im Moment träume ich davon, Manon zu singen. Mein anderer Traum ist, auf all den großen Bühnen weiter auftreten zu können. Ich würde mir gerne meinen kleinen Platz in diesen Theatern für lange, lange Zeit erhalten.

Album Cover für
Romantic Arias
Werke von Rossini, Donizetti, Massenet, Bellini & Gounod.
Nino Machaidze, Teatro Comunale di Bologna Orchestra, Michele Mariotti. Sony Classical

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