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Porträt Kaspars Putnins

Die Magie der menschlichen Stimme

Mit Kaspars Putninš gastiert einer der interessantesten Chordirigenten in Hamburg

vonArnt Cobbers,

Seit einigen Jahren überbieten sich die Orchester darin, immer jüngere „Nachwuchs-Stars“ zu Chefdirigenten zu ernennen. Mit 40 hat jeder Dirigent, der etwas gelten will, schon diverse Chefposten in seiner Vita. Kaspars Putninš nicht. Doch er wirkt nicht, als würde er darunter leiden. Dass man ihn, wie kürzlich in Berlin geschehen, als „legendären Dirigenten des Lettischen Rundfunkchors“ ankündigt, zeigt, welches Renommee der 44-Jährige in der Chorwelt genießt. Dass Putninš auch ohne Chefposten zufrieden ist, hat seinen Grund nicht zuletzt in der einzigartigen Konstruktion des Rigaer Chores, der zu den führenden der Welt gehört. Als Sigvards Klava 1992 die Leitung übernahm, lud er Putninš, der gerade erst sein Studium an der Rigaer Musikhochschule abgeschlossen hatte, ein, als fester zweiter Dirigent mit dem Chor zu arbeiten. „Seitdem arbeiten wir Seite an Seite, und jeder entwickelt sein eigenes Saisonprogramm. Aber wir sind sehr unterschiedlich, sodass sich der Chor permanent umstellen muss. Es ist ein interessantes Prinzip, das ich von keinem anderen Chor kenne.“

Kaspars Putninš ist ein freundlicher, großgewachsener Mann, der nicht nur beim Dirigieren, sondern auch im Gespräch große Ruhe ausstrahlt. Man merkt, dass er es gewohnt ist, mit Sprache zu arbeiten. Und dass seine Singstimme Bass ist, ist ebenso offensichtlich. 

„Ich habe mein Leben lang gesungen. Mit fünf habe ich in einem Knabenchor angefangen. Zu singen war für mich immer ein ganz selbstverständlicher Weg, mich auszudrücken. Aber ich war immer Teil eines Chores oder eines Ensembles, ich liebe das Ensemble-Singen.“

Der Chorgesang hat eine lange Tradition in den baltischen Ländern, und Putninš’ Eltern waren Teil dieser Tradition: der Vater als leidenschaftlicher Amateur, die Mutter als Profi. Sie ist studierte Chorleiterin, unterrichtet noch heute an einer Musikschule und war, als Kaspars Kind war, Mitglied des damals besten Kammerchores in Lettland. „Während meines Studiums haben wir da noch einige Zeit zusammen gesungen, ehe sie ausschied.“

Putninš hat tatsächlich „Chordirigieren“ studiert, und auch wenn er oft Kammerorchester dirigiert, fühlt er sich erst dann „wirklich zu Hause“, wenn er mit Stimmen arbeiten kann. „Ich bin noch immer fasziniert und inspiriert von den Möglichkeiten der menschlichen Stimme.“ Der auffälligste Unterschied zum Orchesterdirigieren ist, dass Chordirigenten keinen Stab benutzen. „Im Orchester braucht man den Stab als rhythmische Referenz. Der Chor dagegen ist ein atmender Organismus, da sind die Hände genug. Der Chor atmet – viel mehr als ein Orchester – wie ein Körper. Deshalb, und wegen des Textes, ist er vielleicht auch etwas freier im Rhythmus als ein Orchester.“

Einen idealen Chorklang gibt es für ihn nicht. Putninš findet es im Gegenteil faszinierend, dass es zwischen den Spitzen-Chören aus aller Welt viel größere Unterschiede gibt als zwischen den Spitzen-Orchestern, wobei er die Hauptgründe im Klang der jeweils heimischen Sprache und der Liedtradition sieht. „Auch wenn, wie in Deutschland, nicht mehr alle Mütter Wiegen- und Kinderlieder singen, lebt diese Musik doch irgendwo weiterhin in unserem Unterbewusstsein, sie ist Teil unserer Identität. Und das ästhetische Ideal, was eine schöne Stimme ist, ist in Finnland zum Beispiel ein völlig anderes als in Italien.“

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