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J. S. Bach: Weihnachtsoratorium BWV 248

Das WO, wie Kenner Bachs Weihnachtsoratorium unter sich nennen, ist der ungebremste Renner in der Advents- und Weihnachtszeit.

vonInsa Axmann,

Das hätte es bei Johann Sebastian Bach nicht gegeben: Die sechs Kantaten seines posthum betitelten Weihnachtsoratoriums in Folge, und dann auch noch in der Adventszeit. Der Advent – früher Fastenzeit – war für Bach und seine Mitwelt die Zeit der Stille, der Einkehr und des Wartens auf die Ankunft Christi. Adventus Domini eben. Die reich verzierte, sogenannte Figuralmusik pausierte in den Gotteshäusern. Die Geburt des Herrn wurde daraufhin am ersten Weihnachtstag um so freudiger und musikalisch-prächtiger begangen.

Aufführungspraxis bei Bach

Johann Sebastian Bach
Johann Sebastian Bach

Der Thomaskantor komponierte seine sechs Kantaten ursprünglich für die Zeit zwischen dem ersten Weihnachtstag und dem Dreikönigsfest, dem Kirchenjahr-Geschehen folgend. Aufgeführt wurden die Vertonungen der neutestamentlichen Weihnachtsgeschichte erstmals im Jahr 1734/1735 sowohl in der Leipziger Nikolaikirche als auch in der Thomaskirche, eingebunden in den liturgischen Tagesablauf: Zwei Aufführungen gab es pro Tag, die erste morgens um 7 Uhr im Gottesdienst, die zweite folgte um 15 Uhr ebenso als Teil der Liturgie.

Teil I erklang am ersten Weihnachtstag, Teil II folgte am zweiten und Kantate III am Folgetag. Neujahr wurde Teil IV im Gottesdienst musiziert, Kantate Nummer V folgte am Sonntag nach Neujahr und mit Teil VI an Epiphanias schloss der Kantatenzyklus ab. Die Aufführungen wurden in der Regel durch Schüler des Thomanerchores bestritten, die vor allem während der Gottesdienste in den vier Stadtkirchen aktiv waren.

Wie zu Bachs Zeiten

Zum 275. Jubiläum der Uraufführung der Weihnachtsoratoriums-Kantaten im Jahr 2009 waren die sechs Teile wie zu Zeiten Bachs in Leipzig in zwei Kirchen im Gottesdienst zu hören. Die Praxis sieht es in der Regel heute allerdings anders vor: Die ersten drei Kantaten bestreiten oft einen Abend, sowohl in der Kirche als auch im Konzertsaal. Auch Teile IV bis VI werden gerne in Folge gespielt, sind aber wesentlich weniger populär als die Vorgängerkantaten.

Bachs Weihnachtsoratorium: Alles ist möglich

Heute, da Bachs Musik aus dem liturgischen in den konzertanten Rahmen versetzt wurde, ist das Weihnachtsoratorium im deutschen Raum stets und allerorts in der Adventszeit zu hören. Darüberhinaus sind zur traditionellen Konzertaufführung diverse neue Formate hinzugekommen: Weihnachtsoratorium für Kinder, Weihnachtsoratorium als Ballett-Darbietung, Weihnachtsoratorium zum Mitsingen, Weihnachtsoratorium in urbaner Form mit E-Gitarre im Club, Weihnachtsoratorium szenisch aufgeführt, Weihnachtsoratorium als Jazz-Arrangement mit Vokal-Ensemble, Weihnachtsoratorium als Film-Grundlage. Da ist für jeden was dabei!

Weihnachtsoratorium à la Ensemble Resonanz: in kammermusikalischer Besetzung, mit E-Gitarre und Harmonium
Weihnachtsoratorium à la Ensemble Resonanz: in kammermusikalischer Besetzung, mit E-Gitarre und Harmonium

Die Beliebtheit der sechs Kantaten ist auch fast 300 Jahre nach Bach ungebrochen, das Weihnachtsoratorium zählt zu den populärsten Werken des großen Barock-Komponisten. Für viele gehört Bachs Oratorium eben zur Adventszeit wie Tannengrün und Glühwein. Eine liebgewonnene Tradition. Erst dann wird Weihnachten perfekt.

Die wichtigsten Fakten zu Johann Sebastian Bach „Weihnachtsoratorium“:

Besetzung: Vier Gesangssolisten (SATB), gemischter Chor, zwei Flöten, zwei Oboen/Oboen d’amore, zwei Oboen da caccia, drei Trompeten, zwei Hörner, Pauken, Streichorchester, Continuo

Spieldauer: Ca. 2 ½ Stunden

Uraufführung: Dezember/Januar 1734 unter Leitung Johann Sebastian Bachs in den Leipziger Thomas-und Nikolaikirchen

Referenzeinspielung

Album Cover für Bach: Weihnachtsoratorium

Bach: Weihnachtsoratorium

Jana Büchner, Markus Brutscher, Britta Schwarz u.a.
Kammerchor & Ensemble der Frauenkirche, Matthias Grünert (Leitung)
Berlin Classics

Ein Live-Mitschnitt aus der Dresdner Frauenkirche, der durch äußerst gute Solisten besticht. Das Orchester, das auf modernen Instrumenten musiziert, präsentiert einen glatten und klaren Klang. Die vom Chor exzellent gesungen Choräle und Chöre sind eine wahre Freude und stimmen gelungen auf das Weihnachtsfest ein.

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Präludium

Der Zuhörer wundert sich: warum beginnt der Chor „Jauchzet, frohlocket!“ in so tiefer Lage? Die Eröffnungskantate war ursprünglich eine (weltliche) Huldigungskantate, welche lautmalerisch mit „Tönet ihr Pauken, erschallet Trompeten“ begann. Sollten wir heute nicht den Mut haben, das Weihnachtsoratorium wieder so original zu beginnen, und dann erst – ab der hohen Lage – die späteren Worte „Jauchzet, frohlocket“ zu singen? Zumal Pauken und Trompeten als symbolische Instrumente von Macht und Herrlichkeit der Weihnachtsbotschaft sehr angemessen sind! Bachs Arbeitspensum – neben Aufführungs-, Unterrichts-, Amts-, Vater- und Ehepflichten – war gewaltig; niemand könnte in dieser Zeitspanne Bachs Werk abschreiben. Wen wundert es, dass er besonders gelungene Musiken, wenn sie – wie die Huldigungskantaten – nur einmal (und meist unbeachtet) aufgeführt worden waren, für große und dauerhafte Werke mit unterlegten neuen (parodierten) Texten wiederverwendete? Fast das gesamte Weihnachtsoratorium ist aus solchen Gelegenheitswerken zusammengestellt – bedeutendste Ausnahme: die langsame, leise Weihnachts-Sinfonia (ein Siciliano in italienischer Tradition) für die Krippenszene im Stall von Bethlehem. Die Weihnachtsgeschichte wird in sechs Kantaten erzählt: Geburt Jesu/ Verkündigung des Engels/ Anbetung der Hirten/ Namensgebung/ Ankunft der Weisen/ Anbetung der Weisen. Die Erzählung sprudelt wie eine Brunnenkaskade über vier Ebenen: Chöre mit vollem Orchester, Rezitative des Evangelisten, Betrachtungen und Arien (auch Ensembles), Choräle (schlicht oder mit instrumentalen Vor-, Zwischen- und Nachspielen). Die Praxis kennt folgende Aufführungsvarianten: an sechs Sonntagen der Weihnachtszeit im Gottesdienst, an einem/zwei Abend(en) in der Weihnachtszeit (Teil 1-3 und/oder 4-6), an einem langen Abend – ganz (mit oder ohne Kürzungen, auf jeden Fall mit Sitzkissen!) Wenn die Kirche heizbar ist, wenn es Toiletten gibt, und wenn die Akustik nicht „schwimmt“, ist das ungekürzte Weihnachtsoratorium mit seinem Wechsel von schwungvollen Chören, lebhaften Rezitativen, liebevollen Betrachtungen, deklamierten Arien (oft mit obligaten Instrumenten) und innigen Chorälen ausgesprochen kurzweilig – zumal, wenn das Publikum dabei mit einstimmt! Eines sollte das weihnachtlich hochgestimmte Publikum bei diesem beliebtesten aller Oratorien bedenken: die Honorare der Musiker/innen und vor allem der Solist/inn/en sind in unseren Tagen alles andere als weihnachtlich! Und – Hand aufs Herz!– selbst eine doppelt bezahlte Eintrittskarte ist nichts gegen den dafür eingetauschten unermesslichen Reichtum an freudigen Klängen!
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    Blind gehört Julian Prégardien

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