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Ensembleporträt Berliner Bach Akademie

Leidenschaft und Ambition

Heribert Breuer gründete vor 20 Jahren die Berliner Bach Akademie

vonJakob Buhre,

Wenn Johann Sebastian Bach heute einen Fürsprecher bräuchte – Heribert Breuer wäre sein Mann. An den Thomaskantor lässt der 1945 geborene Dirigent nichts herankommen, schon gar nicht die Zeitgenossen: „Für mich ist er der einzige Komponist, bei dem man immer wieder neue Dinge entdeckt.“ Vivaldi beispielsweise ermüde ihn, sagt Breuer, weil er „meistens völlig durchschaubar“ sei, und Georg Philipp Telemann boykottiert er gänzlich. „Wenn Sie sich vorstellen, dass Telemann auf Stellen gewählt worden ist, um die sich auch Bach beworben hat – das ist so etwas Unglaubliches, da fällt mir nichts zu ein. “

Seiner Leidenschaft für Bach verlieh Breuer, der u.a. bei Ernst Pepping und Helmuth Rilling studiert hat, schon früh Ausdruck: Mit 22 gründete er den Lübecker Bachchor, 1973 wurde er Leiter des Würzburger Bachchores und der Würzburger Bachtage, 1979 wechselte er nach Aachen zum dortigen Bachverein. 1982 kam Breuer schließlich nach West-Berlin, wo er als Professor für Chorleitung und Musiktheorie an die Hochschule der Künste (heute UdK) berufen wurde. Kurz nach der Wende gründete er auch hier sein eigenes Bach-Ensemble, an der Kirche St. Matthäus im Kulturforum am Potsdamer Platz.

„Dort war nach dem Fall der Mauer Tabula Rasa. Ich habe die Organistenstelle aufgebaut und dann 1991 Chor und Orchester der Bach Akademie gegründet. Das war eine spannende Zeit, weil man auf einmal mit Musikern in Kontakt kam, die eine ganz andere Biografie hatten. Dieses Zusammenführen von Sängern und Instrumentalisten aus beiden Teilen der Stadt war damals ein wichtiger Antrieb für mich.“

Heute kommen Alte wie Junge aus Ost und West zur Bach Akademie, wobei Breuer aus seinem hohen qualitativen Anspruch und der „leistungsbezogenen Arbeitsatmosphäre“ keinen Hehl macht. „Jeder muss Stimmbildung persönlich betreiben, und ich setze voraus, dass der Notentext privat einstudiert wird, damit wir in den Proben vor allem musikalische Dinge erarbeiten können. Es ist ein semiprofessionelles, aber sehr ambitioniertes Ensemble.“ Geprobt wird zwei Mal die Woche, die Konzerte finden inzwischen in der Philharmonie und im Kammermusiksaal statt.

Doch nur Einstudieren und Dirigieren wäre ihm zu wenig, Heribert Breuer gestaltet auch gerne auf dem Notenpapier. Seit den 70er Jahren schuf er eine große Anzahl von Adaptionen für unterschiedliche Besetzungen, arbeitete Werke von Bach, Mozart, Schubert, Brahms und Reger um. Bei den „Versionen“, wie er seine Bearbeitungen am liebsten nennt, komponiert Breuer oft Stimmen hinzu, um ihnen ein eigenes polyphones Gewicht zu verleihen – stets mit dem Ziel, den Geist der Originalwerke getreu widerzuspiegeln. „Ich möchte ein Stück, das aufgrund seiner Besetzung ein Schattendasein führt, in ein besseres Licht stellen.“

Einen Höhepunkt stellt zweifelsohne Breuers Fassung von Bachs Kunst der Fuge dar: Gespielt von vier verschieden besetzten Quartetten wandert das Werk hier von der Klangwelt der Alten Musik bis hin zum Modern Jazz. Auch mit der Bach Akademie führt Breuer regelmäßig eigene Versionen auf. „Ich habe die Akademie auch unter der Prämisse gegründet, dass ich eine sehr gute Gemeinschaft von Sängern und Instrumentalisten habe, mit denen ich diese Ideen ausprobieren kann, denen ich das quasi auf den Leib schreiben kann.“

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