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Spielstätten-Porträt Kulturspeicher am Kaufhauskanal

Tradition und Flair statt kalter Retortenstadt

Ein neuer Konzertsaal eröffnet am Harburger Kaufhauskanal – in einem fast 200 Jahre alten Fachwerkspeicher

vonSören Ingwersen,

Im Hamburger Hafen entsteht ein neues Konzerthaus. Kennen Sie schon? Nun, dieses wohl noch nicht, liegt es doch im Binnenhafen. Und doch gibt es da eine Verbindungslinie zum schillernden Koloss an der Kaispitze: Der Geschäftsführer des neuen „Speichers am Kaufhauskanal“ arbeitete nämlich zuvor für die Elbphilharmonie und hat dort den Bereich Kommunikation und Marketing aufgebaut. Nun möchte Henry C. Brinker im Stadtteil Harburg eine neue Kulturstätte etablieren, die ebenfalls nah am Wasser gebaut ist. Noch arbeiten die Handwerker zwar auf Hochtouren, doch die Termine für die Eröffnungsgalas am 30. und 31. Mai stehen fest – und schon jetzt lässt sich erahnen, dass hier Räume mit einem ganz besonderen Flair entstehen. 

Zwischen Hafenbecken und neuen Luxuswohnungen

 

Ursprünglich war der 1827 errichtete Fachwerkbau – unter Harburgern als „Neues Kaufhaus“ bekannt – als Lager des „Alten Kaufhauses“ aus dem Jahr 1643 genutzt worden. Doch der Bau der Unterelbe-Eisenbahnlinie erforderte 1881 die Versetzung des Speichers um gut 100 Meter in die Blohmstraße 22: ein bis heute idyllisches Fleckchen inmitten des hier neu entstehenden Wohn- und Arbeitsviertels. So wird in direkter Nachbarschaft derzeit der „Goldfisch“, ein dreistöckiges Bürogebäude mit goldfarbener Schuppenfassade, fertiggestellt, die früheren Lagerhäuser auf der gegenüberliegenden Seite des Kaufhauskanals weichen 250 Luxuswohnungen. Andererseits findet sich in unmittelbarer Nähe mit dem 1565 errichteten Bornemannschen Haus eines der ältesten Hamburger Bürgerhäuser.

 

„Wer hier herkommt, sucht das besondere Flair des Hafens“, zeigt sich daher auch der Kulturmanager Brinker optimistisch. „Eine traditionsreiche Umgebung, in der sich eine jahrhundertelange Geschichte erleben lässt – wir wollen das Gegenteil der trostlosen Hafencity sein, wo man eine Stadt aus der Retorte gebaut hat und die menschliche Wärme fehlt.“ Seit drei Generationen befindet sich der Speicher mit der vorgelagerten Villa und dem angeschlossenen Comptoirgebäude in Familienbesitz: Eigentümer ist der gebürtige Harburger Rolf Lengemann, der den Architekten Ulrich Garbe mit den Restaurierungs- und Umbauarbeiten beauftragt hat. 800 000 Euro kostet das Projekt, rund die Hälfte übernimmt die Hamburger Denkmalschutzbehörde.

 

Ein vielfältiges Programm für die Menschen der Umgebung

 

Dafür entsteht auf einer Grundfläche von 440 Quadratmetern im Erdgeschoss ein Foyer mit Gastronomie; Treppen und Fahrstuhl führen hinauf in das künftige Herzstück des Speichers: den ebenso großen Veranstaltungssaal, der Sitzplätze für rund 330 Besucher bietet mit Blick in den offenen Dachstuhl. „Wir richten uns in erster Linie an Besucher aus der unmittelbaren Umgebung und werden aufgreifen, was die Menschen hier wollen“, verspricht Brinker. Was im Detail ein vielfältiges Programmangebot bedeutet, das neben klassischen und anderen Konzerten auch Lesungen, Kleinkunstveranstaltungen, Ausstellungen, Workshops und Vorträge einschließt – zu Eintrittspreisen von maximal 25 Euro. Im Vordergrund soll dabei stets die „Erlebnishaftigkeit von Kultur“ stehen. 

 

So wird etwa bei der Eröffnung mit dem russischen Pianisten Lev Vinocour die Dornröschen-Suite des 1903 in Hamburg verstorbenen Komponisten Theodor Kirchner durch visuelle Elemente ergänzt: „Wir haben uns vom St. Petersburger Mariinsky-Theater die Entwurfsskizzen der Uraufführung des Tschaikowsky-Balletts besorgt, die mit moderner Projektionstechnik im Raum verteilt gezeigt werden.“ Und damit dieser Erlebnischarakter auch jenseits der Kultur garantiert ist, entsteht auf der Kanalseite noch eine Veranda samt Reling.

 

Der passionierte Angler Brinker gerät da beim Blick über das Wasser schon jetzt ins Schwärmen: „So eine Chance bekommt man nur einmal im Leben – das ist besser als die Elbphilharmonie. Wenn man sich das hier im Sommer vorstellt mit der großen Weide dort: wunderbar!“ Nun muss er nur noch mit seinem Publikum einen guten Fang machen – Petri Heil!

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