Der Mensch ist ein unzulängliches und einzigartiges Geschöpf mit Ecken und Kanten. Genug Potential also, aneinander zu rasseln und sich gegenseitig zu verletzen. Auch ohne dieses menschengemachte Leid ist das Leben schwer genug. Wir erleben Schicksalsschläge; Träume platzen … Wie können wir es uns leichter machen? Diese Frage scheint über Takis Würgers neuem Roman „Für Polina“ zu schweben: Fritzi wollte Jura studieren. Stattdessen fliegt sie aus ihrem Elternhaus, als sie kurz nach dem Abitur Hannes auf die Welt bringt. Kurzerhand zieht sie mit ihm in eine baufällige Villa am Rande eines Naturschutzgebietes. Hier schafft sie für sich und Hannes, aber auch für ihren Vermieter Heinrich Hildebrand, ihre Freundin Güneş und deren Tochter Polina eine kleine Oase, in der sie alle so sein dürfen, wie sie sind.
Musik als Mittel der Kommunikation
Würger skizziert in diesem von heiterer Leichtigkeit durchzogenen ersten Teil eine Art Mikro-Utopie. Dabei spielt er mit Klischees, bürstet sie gegen den Strich. So hat Polina ihren Namen aus dem „liebsten Dostojewski“ ihrer Mutter Güneş, die bei Netto putzt. Mit Fritzis Tod kommt die Zäsur: Die Mitglieder ihrer Wahlfamilie verlieren den Halt; sie driften auseinander. Schon als Kind kommunizierte der scheue Hannes über seine Musik. So komponierte er mit vierzehn eine Klaviersonate für Polina, um ihr seine Liebe zu offenbaren. Als sie ihm abhandenkommt, „verstummt“ er und verdingt sich als Klavierträger, statt mit seinem Talent die Konzertsäle der Welt zu erobern. Mit den Jahren erkennt Hannes, was er verloren hat. Er macht sich auf die Suche nach Polina. Kann ihm seine Musik dabei helfen? Ein berührendes Plädoyer für ein ehrliches und liebevolleres Miteinander, für Verständnis und Verzeihen – und für zweite Chancen.

Für Polina
Takis Würger
Diogenes, 304 Seiten
26 Euro