In Deutschland wird der Name Kurt Weill vor allem mit Bertold Brechts „Dreigroschenoper“ in Verbindung gebracht, jener sozialkritischen Neuerfindung und zugleich Persiflage der Oper und einem der größten Theatererfolge aller Zeiten. Doch wer Weill auf die Komposition der Dreigroschenmusik reduziert, vergisst das zweite Leben dieses genialen Komponisten: Der Brecht-Partner wurde nach seiner erzwungenen Emigration in die USA einer der erfolgreichsten Musicalkomponisten der Neuen Welt, komponierte ab 1940 mit großem Erfolg für den New Yorker Broadway.
Stücke dieser letzten Lebens- und Schaffensjahre Weills sind in Deutschland kaum bekannt. So wurde ein Werk hierzulande niemals aufgeführt – mit Ausnahme eines von offizieller Seite nicht abgesegneten „Try-outs“ an der Berliner Hochschule der Künste im Jahr 2000: „Love Life“, komponiert 1948 und damit zwei Jahre vor Weills Tod. Das Stück hatte einen immensen Einfluss auf das Genre des Musicals und diente vielen späteren Werken wie „Cabaret“ oder „Chicago“ als Inspiration.
„Love Life“ und Kurt Weill
Im Fall von „Love Life“ liegt das wohl auch an der originellen Story, die einer scharfsinnigen brechtschen Dramaturgie ebensowenig entbehrt wie einer Prise Absurdität. Die Hauptfrage in „Love Life“: Ist die Ehe von Sam und Susan Cooper nach 150 Jahren Dauer noch zu retten? Gern erinnert sich das nie älter werdende Ehepaar der Zeiten, als sie mit ihren beiden Kindern Johnny und Elizabeth in eine heile Kleinstadtwelt in Neuengland zogen und Sam seinen eigenen Möbelladen eröffnete. Aber was ist seither schief gelaufen? Was macht sie unglücklich? Und was können sie dagegen tun?
„Love Life“ erzählt zugleich die Geschichte gesellschaftlicher Entwicklungen in den USA: vom durch die industrielle Revolution beförderten Siegeszug des Kapitalismus, von den dadurch erzeugten beruflichen und privaten Verwerfungen, von den Ursprüngen der Frauenbewegung. Im Untertitel als „Vaudeville“ bezeichnet, werden die Szenen einer Ehe von bissig-ironisch Varieténummern kontrastiert und kommentiert. Kurt Weills vielfarbige, reiche Musik spannt einen Bogen vom Madrigal über Operette und Barbershop-Quartett bis zu jenem Balladenstil, mit dem Weill bereits im Berlin der Zwanzigerjahre berühmt wurde.
Ausschnitt aus „Love Life“ von Kurt Weill:
concerti-Tipp:
Kurt Weill: Love Life
Theater Freiburg
Mit: Rebecca Jo Loeb, David Arnsperger, Tim Al-Windawe, Philharmonisches Orchester Freiburg, Opernchor des Theater Freiburg, James Holmes (Leitung), Joan Anton Rechi (Regie)
Termine: Sa. 9.12., 19:30 Uhr (Premiere). Weitere Termine: 14., 16. & 21.12., 14. & 31.1.