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Opera on Tap

Ein Prosit auf die Arie

In den Vereinigten Staaten ist Opera on Tap bereits ein weit verbreitetes Phänomen. Jetzt erobern Opernsänger auch in Deutschland die Bars und Kneipen, um in ungezwungener Atmosphäre ihrer Profession zu frönen

vonNicole Korzonnek,

Eng drängelt und windet sich die Schlange am Tresen der Mathilde Bar im Hamburger Stadtteil Ottensen entlang. Es ist warm und stickig, aber das macht den Menschen, die in der kleinen Bar dicht an dicht stehen, nichts aus. Sie warten darauf, dass sich die Tür zum Hinterzimmer öffnet, wo in ein paar Minuten die nächste Veranstaltung von Opera on Tap stattfinden wird – einem Phänomen, das im vergangenen Jahr aus den Vereinigten Staaten nach Deutschland herübergeschwappt ist.

Bei Opera on Tap, also „Oper am Zapfhahn“, ist der Name Programm: professionelle Opernsänger präsentieren in lockerer Kneipenatmosphäre einen bunten Arienstrauß aus dem klassischen Repertoire. Entstanden ist die Idee zu Opera on Tap 2005 in einer New Yorker Kneipe. Von dort eroberte das Konzept ganz Amerika. Inzwischen wird das Format von über 20 Ortsverbänden – den sogenannten Chaptern – in 24 Städten präsentiert. Die Sänger, deren Gage eine Hutspende ist, vernetzen und organisieren sich selbst, denken sich eigenständig Themen, die als roter Faden bei der Programmauswahl dienen, aus und laden auch eigenverantwortlich Gäste ein. In den Vereinigten Staaten ist Opera on Tap inzwischen so gut organisiert und vernetzt, dass die Sänger dank ihrer großzügigen Spendeneinnahmen auch Wohltätigkeitsprojekte finanziell unterstützen können.

Opera on Tap – noch ein Geheimtipp in Deutschland

Opera on tap
Opera on tap © Nicole Korzonnek

Davon sind die beiden Ortsverbände, die es in Deutschland gibt, noch weit entfernt. In Berlin und Hamburg, wo Opera on Tap einmal im Monat stattfindet, ist die Veranstaltung eher ein Geheimtipp. Sopranistin Sashell Beck, die zusammen mit ihrer Kollegin Corinne Schaefer die Hamburger Abende organisiert, hat Opera on Tap erst im vergangenen September in die Hansestadt gebracht, nachdem sie zuerst in Los Angeles und dann in Berlin als Gast bei beiden Ortsverbänden auf der Kneipenbühne stand. Schnell war sie Feuer und Flamme, Opera on Tap auch nach Hamburg zu bringen. Am besten in ein Szeneviertel, wo das Publikum ebenso bunt wie aufgeschlossen ist. Mit der Mathilde Bar fand die amerikanische Sängerin eine sehr dankbare Location mitten im urbanen Ottensen, wo gerade die Hinterzimmertür aufgeht, damit die Gäste nicht mehr drängeln müssen, sondern sich endlich setzen können.

In dem kleinen Zimmer ist es noch wärmer und noch stickiger. Und natürlich sitzt man noch dichter zusammen. Corinne Schaefer dirigiert mit ihrem frischen amerikanischen Charme ein paar Nachzügler auf die letzten noch freien Plätze. Ungefähr fünfzig Personen würden in den kleinen Raum passen – knapp siebzig drängeln sich eng an eng. „Heute ist es besonders voll, was wohl am Thema liegt“, verrät Corinne Schaefer. Das Motto „Opera meets Broadway“ ist in der Tat recht massentauglich gewählt, wobei unter den Zuschauern nicht nur das typische Musical-Publikum zu finden ist, sondern auch seriös ausschauende Opernliebhaber, die die intime Atmosphäre der Veranstaltung sehr zu schätzen gelernt haben, da man bei Opera on Tap eben ganz nah dabei ist.

Musical-Dauerbrenner und Broadway-Raritäten

Und dann geht es auch schon los. Sashell Beck und Corinne Schaefer hüpfen voller Elan auf die improvisierte Minibühne, nachdem Pianistin Makiko Eguchi das Publikum mit dem Musical-Schmiss „Willkommen“ aus „Cabaret“ musikalisch eingestimmt hat, moderieren locker-charmant den Abend an und stellen kurz die Gäste vor, zu denen nicht nur Bariton Timotheus Maas und Tenor Justin Moore zählen, sondern auch dessen Frau Rachel Anne Moore, die in der deutschen Musical-Szene dank diverser Hauptrollen, als Sopranistin eine bekannte Größe ist.

Während anfangs eher unbekannte Musical-Nummern präsentiert werden, die aber gut veranschaulichen, wie opernhaft zum Teil am Broadway komponiert wurde und wird, dürfen im späteren Verlauf natürlich auch die größeren Hits wie „Music of the Night“ oder „’Til I hear you sing“ aus Webbers beiden Phantom-Musicals ebenso wenig fehlen wie „If I were a rich man“ aus „Anatevka“ oder der „Les Misérables“-Dauerbrenner „On my own“. Sämtliche Sänger sind dabei nicht nur höchst professionell, sondern auch mit sichtbar viel Spaß bei der Sache, interpretieren mit viel Verve und sorgen mit ihren Voraberklärungen, was sie und warum sie es gleich singen werden, für viele unterhaltsame Momente, während sie spielerisch ihr Können zeigen und ihr Publikum begeistern. Zum Schluss tobt und brodelt der kleine Raum.

Oper zum Anfassen

Opera on Tap
Das Ensemble von Opera on Tap © Nicole Korzonnek

Die Sänger zeigen eine erstaunliche Leistung. Schließlich ist Opera on Tap eher Privatvergnügen denn Profession, wird die Veranstaltung doch eher neben allen beruflichen Verpflichtungen und Engagements vorbereitet. Gemeinsam geübt wird in Hamburg gar nur ein einziges Mal – nämlich eine Stunde vor Beginn. Der Qualität tut das keinen Abbruch, denn schließlich sind hier Profis am Werk, die ihrem bunt gemischten und meist klassikfernen Publikum die Welt der Oper näher bringen wollen. Oft mit Erfolg. Corinne Schaefer zum Beispiel verrät ihren schönsten Augenblick, nämlich als ein Gast zum zweiten Mal zu Opera on Tap kam und nach der Veranstaltung erzählte, dass ihr beim ersten Besuch die Musik der einen Mozart-Arie derart gut gefallen hätte, dass sie sich danach gleich Karten für dessen „Figaro“ in der Staatsoper kaufen musste.

Konzept und Qualität von Opera on Tap begeistern eben nicht nur Opern-Kenner, sondern auch Menschen, die mit klassischer Musik sonst nichts am Hut haben. Weil es Oper zum Anfassen ist. Genau das macht den Reiz aus.

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