Wie sieht es eigentlich aus, das Paradies? Ein blühender Garten à la Altes Testament, ein himmlischer Ort auf Wattewolken – oder, wie bei Andrea Moses’ Inszenierung von „Adam und Eva“ bei den Schwetzinger SWR Festspielen, ein karger Felsen vor grauer Plattenbaufassade? Letzteres zumindest scheint plausibel, wenn man bedenkt, dass der Plattenbau in der DDR als Inbegriff einer gleichsam zukunftsgerichteten wie funktionalen und komfortablen Architektur galt. Ein augenzwinkernder Verweis also auf die Biografie von Peter Hacks, dessen gleichnamige Komödie das Libretto der Oper nährt.
Von Teufeln und Einhörnern
Wirklich paradiesisch geht es freilich nicht zu: Schon bald versinkt die Bühne in einem Meer aus Unrat und Plastik – sehr viel Plastik. Die altbekannte Geschichte von der Erschaffung Adams über den Sündenfall bis zur Vertreibung wird hier nacherzählt, allerdings burlesk nachgewürzt. Erzengel Gabriel und das Satan-Pendant Satanael agieren als unheilige Allianz in der Verführung Evas, während zwei Einhörner als Kommentatoren und Apologeten des göttlichen Plans und des fatalistischen Humors fungieren – sprechend und tanzend, natürlich.

Gelungene Ideen in einem substanzlosen Rahmen
Komponist Mike Svoboda, der an diesem Premierenabend auch selbst dirigierte, findet in seiner Partitur durchaus zu geistreichen Momenten: etwa wenn der Apfel, kostbar wie ein Diamant von der Decke hängend, von Eva in sehnsuchtsvoll lyrischen Tönen besungen wird – fast wie ein Geliebter. Oder wenn die durchweg in Leder gehüllte Satanael (überzeugend: Manuela Leonhartsberger) teuflisch irisierende Glissandi entfesselt. Auch das Engels- und Paradiesvolk von bedingungslosen Ja-Sagern hat dank der luziden durchdringenden Klanglichkeit und den grotesken eintönigen Masken seine Momente. Besonders gelungen sind die sängerischen Dialoge zwischen Adam und Eva oder Gabriel und Satanael: Psychologisch komisch gezeichnet, treiben sie sich durch Wortwiederholungen in einen gesungenen jämmerlichen Zweikampf hinein.

Themenarme Partitur
Doch all das trägt den Abend nur streckenweise. Die musikalischen Versatzstücke wirken oft beliebig, zuweilen willkürlich. Die etwa zweistündige Komposition krankt an einem Mangel an thematischer Frische. Stattdessen dominieren auf- und abwärts kletternde Streicherskalen, perkussive Spielereien mit Zimbeln, Triangeln und Schlagholz sowie elektronische Verzerrungen – ein dadaistisches Grundrauschen, das schnell ermüdet.
Der dritte Akt bringt Besserung. Dramatisch gestrafft, mit wachsender Absurdität in Szene gesetzt. Die Einhörner schreiten nun in Rokokokostümen über die Bühne, und Svoboda findet auch musikalisch passende Bilder. Gabriel kommentiert trocken: „So tief sind wir gesunken: Ironie.“ Doch selbst Ironie kann nicht darüber hinwegtäuschen: Die Erzählstrukturen – Gesang, Schauspiel, Text – überlagern sich oft zu sehr. Der dichte philosophische Subtext wie auch die Komik der Sprache drohen unterzugehen. Deutlich wird: Die wahren Stärken des Abends liegen im Libretto und Schauspiel.

Schauspielqualitäten
Besonders herausragend ist Sebastian Hufschmidt in der Sprecherrolle als Gott. Glaubwürdig legt er einen zynischen, als Familienvater agierenden Despoten vor, der zunächst an seiner Allwissenheit und der Allmacht seiner Ja-Sager verzweifelt und später sich selbst der fleischlichen Lust gegenüber Eva nicht verwahren kann. Schließlich scheitert er an den moralisch würdelosen Entgleisungen seiner neuesten Schöpfung: den zur Selbständigkeit neigenden Menschen. Großartig auch Morgana Heyse als Gabriel. Mehr gescheiterte Slapstickfigur als Engelsgestalt belebt sie die Bühne mit komödiantischem Timing und vokalen Orgelpunkten.
Fazit: Die Musik von „Adam und Eva“ schafft es nicht, die absurde Komik allein über die Musik zu tragen und ist auf außermusikalische Mittel als Rettungsanker angewiesen. Doch auch viele Regiekniffe leiden unter ihrer Beliebigkeit – ein schwaches Ergebnis für Schwetzingen. Überzeugende Leistungen legten die Beteiligten dennoch vor.
Schwetzinger SWR Festspiele
Svoboda: Adam und Eva
Mike Svoboda (Leitung), Andrea Moses (Regie), Heike Vollmer (Bühne), Anja Rabes (Kostüme), Sarah Derendinger (Video), Paul Grilj (Lichtdesign), Daniel Miska & Maurice Oeser (Klangregie), David Barnard & Michael Alber (Chor), Morgane Heyse, Manuela Leonhartsberger, Tina Josephine Jaeger, Alexander York, Génesis Beatriz López Da Silva, Felix Lodel, Sebastian Hufschmidt, Extrachor des Landestheater Linz, SWR Vokalensemble, SWR Experimentalstudio, hr-Sinfonieorchester
So., 04. Mai 2025 18:00 Uhr
Musiktheater
Svoboda: Adam und Eva
Schwetzinger SWR Festspiele