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Opern-Kritik: Konzerthaus Berlin – King Arthur

King Arthur – Eine Sage von angeklebten Bärten und britischen Melonen

(Berlin, 16.5.2024) Im Konzerthaus Berlin entlocken der RIAS Kammerchor und die Akademie für Alte Musik Berlin der Semi-Opera „King Arthur“ von Henry Purcell ein breites Bouquet an Affekten. Die Schwetzinger SWR Festspiele als Koproduzentin blicken somit auf eine erstklassige musikalische Darbietung.

vonPatrick Erb,

In schwarze Jeans, T-Shirt und rote, ledern anmutende Jacke gekleidet steht Britannier-König Arthur (Elias Arens) da, bereit, seine Gefolgschaft gegen die Sachsen in eine Schlacht zu führen, in der um die Vorherrschaft in Großbritannien gestritten werden soll. Ein paar komische wie geschickte Bewegungen später steht Elias Arens erneut da, jetzt ein Gewand aus zerfetzten Lappen tragend und einen brusttiefen Bart angesteckt. Arens Alter Ego ist nun der Sachsen-Hexer Osmond. Derweil changiert Katrin Wichmann zwischen Sachsen-Anführer Oswald, Zauberer Merlin und Emmeline, der Frau Arthurs – die Inszenierung von Henry Purcells Semi-Opera „King Arthur“ am Konzerthaus Berlin verspricht komisch, wirr und etwas anstrengend zu sein.

Szenenbild zu „King Arthur“
Szenenbild zu „King Arthur“

Halbszenisch, mit Fokus auf das Essentielle

Verantwortlich zeichnet für die Produktion, die auch im Rahmen der Schwetzinger SWR Festspiele zu sehen ist, Christoph von Bernuth, der in einer auf Bühnenbild gänzlich und auf Requisite und Kostüm nahezu verzichtenden Inszenierung einen klaren Fokus auf darstellerisches Interagieren setzt. Darüber hinaus wird durch die üppige Bearbeitung des Librettos mit deutschen Dialogen und einer reichhaltigen Auswahl an komödiantischen Elementen der schauspielerische Charakter des Stücks zwischen Musik- und Sprechtheater noch viel stärker betont. Die Schauspieler Arens und Wichmann profitieren deutlich, können sie doch spielerisch die Geschlechterstereotype abwerfen: Hier ist Arthur der Verweichlichte, der durch das Moor getragen werden muss, und Emmeline steht ihren Mann.

Szenenbild zu „King Arthur“
Szenenbild zu „King Arthur“

Entdeckungstour durch barocke Gefühlswelten

Eigentlich nur hektisches Blendwerk im Angesicht der Musizierenden der Akademie für Alte Musik, die unter der Anleitung des zur ausdrücklichen Vielfalt neigenden Justin Doyle ein weit geöffnetes Bouquet barocker Affekte hinterlassen. Mehr als bei vielen seiner Zeitgenossen gibt die Musik Purcells auch Anlass dazu – sie ist bisweilen rhythmisch archaischer, wie schon Ouvertüre, Eröffnungs-Air oder die bekannte Frost-Szene dokumentieren, gleichzeitig ausdifferenziert im Ausdruck: man findet Topoi der Herrschaft, der Trauer, des Jubels und der Verführung. Und vom Gitarristen über das Streicher-Consort bis zu den Blechbläsern findet das Ensemble seinen Weg in die Musik, die so unterschiedlich ist wie die rhapsodischen Bilder des Stücks selbst.

Nicht minder fantastisch ist der RIAS Kammerchor, der, aufgeteilt auf Briten und Sachsen, auch Darsteller-Kollektiv ist. Der Kammerchor findet in chirurgischer Präzision zu den verschiedensten Intonationen im Charakter. Mit Stolz wird „Brave souls“, mit Resignation „Die, and reap the fruit of glory“ besungen. In der Schäferspiel-Szene erfüllen die Choristen das Konzerthaus Berlin mit der Wärme erzählerischen Kaminfeuers, kollektiv einfrierend in der Frost-Szene übertreffen diese sogar Florian Götz in seiner Funktion als Genius of Frost und erheben sich selbst in diese Genius-Position.

Szenenbild zu „King Arthur“
Szenenbild zu „King Arthur“

Gefangen zwischen Slapstick und säckeweise Gags

Glückselig könnte man da der restlichen Vorstellung entgegenfiebern, doch die nicht ganz ernst gemeinte Restausstattung der Inszenierung, die billigen Bärte für die Sachsen und Melonen-Hüte für die Briten, sind als ikonographische Zuschreibungen etwas banal. Der hier zur Schau gestellte Humor deckt sich auch mit der überfrachteten Slapstick-Komik, dem Kindshumor und der über das Stück ausgeschüttelten Zitate-Kiste („We shall never surrender“, „how charming“, usw.).

Musikalisches Gelingen und Szenisches Scheitern

Ein gewisses Maß an Humor ist dem märchenvollen Glanzstück Purcells selbstverständlich zuzumuten, doch von lustspielartiger Heiterkeit über zu fordernde Komik bis zur endgültigen Verballhornung: Twiehaus und von Bernuth geben das Stück der Lächerlichkeit Preis. Die „highperformenden“ Sängerinnen und Sänger des RIAS Kammerchors müssen 180% geben, wo schon 110% ins Schwarze getroffen hätten – Gehörtes und Gesehenes gehen an diesem Abend wahrlich getrennte Wege.

Konzerthaus Berlin
Purcell: King Arthur

Justin Doyle (Leitung), Christoph von Bernuth (Regie), Stephanie Twiehaus (Dramaturgie/Libretto), Elias Arens, Katrin Wichmann, Marie-Sophie Pollak, Florian Götz, Jonathan de la Paz Zaens, Andrew Redmond, Felix Rumpf, Shimon Yoshida, Volker Nietzke, Fabienne Weiß, Viktoria Wilson, Mi-Young Kim, Anja Petersen, RIAS Kammerchor, Akademie für Alte Musik Berlin

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