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PORTRÄT CLAUDIO ABBADO

Musizieren auf gleicher Augenhöhe

Claudio Abbado und sein Lucerne Festival Orchestra gastieren erstmals in Hamburg

vonCorina Kolbe,

Mit Claudio Abbado und dem Lucerne Festival Orchestra hat die Geigerin Brigitte Lang in diesem Sommer ein doppeltes Heimspiel. Nach den Festivalwochen in ihrer Geburtsstadt Luzern gastiert der schon legendäre Klangkörper zum ersten Mal in Hamburg. Und an der Alster fühlt sich die stellvertretende Konzertmeisterin des NDR Sinfonieorchesters ebenfalls seit Jahren zu Hause.

In Abbados handverlesener Elitetruppe spielt sie seit der Gründung 2003 mit den Kollegen des Mahler Chamber Orchestra und mit Musikern, die man ansonsten etwa im Amsterdamer Concertgebouw Orkest, bei den Münchner Philharmonikern, im Orchestra dell‘Accademia di Santa Cecilia in Rom oder im Tonhalle-Orchester Zürich in Spitzenpositionen antrifft. Auch der Trompeter Reinhold Friedrich ist dabei, ebenso die Bratscherin Danusha Waskiewicz, der Kontrabassist Alois Posch und der Flötist Jacques Zoon – allesamt international renommierte Solisten.

Viele der Musiker, die jedes Jahr im August an den Vierwaldstätter See kommen, um mit Abbado in Jean Nouvels akustisch hervorragendem Konzertsaal aufzutreten, haben bereits früher mit dem weltbekannten italienischen Dirigenten konzertiert. Sein Credo des kammermusikalischen Zusammenmusizierens haben alle inzwischen voll verinnerlicht.

So auch Brigitte Lang. Erste professionelle Erfahrungen sammelte sie vor mehr als 20 Jahren in Abbados Gustav Mahler Jugendorchester, in dem Musiker aus West- und Osteuropa schon vor dem Mauerfall miteinander vereint waren. „Mit seinen Blicken und Gesten erreicht Abbado in jedem seiner Orchester, dass die Spieler ihr Bestes geben. Alle hören besonders aufmerksam aufeinander, die Ohren sind weit offen“, sagt Lang. Am Lucerne Festival Orchestra schätzt die Schweizerin auch die große Toleranz im Umgang miteinander: „Jeder wird so akzeptiert, wie er ist. Man kann sich dadurch frei entwickeln. Es ist einfach eine andere Art zu atmen.“

„Bei Claudio Abbado gibt es keine Imperative. Um das zu bekommen, was er möchte, muss er nicht seine Stimme erheben“, erzählt Reinhold Friedrich, der auch mit Abbados Orchestra Mozart aus Bologna auftritt. „Wir sind ein gutes Team. Wer in den Proben zu früh, zu spät, zu laut oder zu leise spielt, merkt das bei uns sofort.“

Wolfram Christ, während Abbados Zeit als Chefdirigent bei den Berliner Philharmonikern 1. Solobratscher und später auch häufig mit dem Mozart-Orchester zu erleben, spürt im Lucerne Festival Orchestra nach wie vor den glühenden Funken der Begeisterung. „Da wir nicht wie ein normales Sinfonieorchester die gesamte Saison über zusammen sind, ist von Abnutzung und Routine nichts zu merken.“

Mit seinem Zyklus von Mahler-Sinfonien hat das Orchester Geschichte geschrieben. Die in diesem Jahr beim Label Accentus erschienene DVD-Aufnahme von Bruckners Fünfter wurde von der Kritik ebenfalls enthusiastisch gefeiert. In der Laeiszhalle stehen am 21. September Mozarts Klavierkonzert G-Dur KV 453 mit der portugiesischen Pianistin Maria João Pires sowie die Erste Sinfonie von Bruckner auf dem Programm.

Der Generalintendant der Elbphilharmonie, Christoph Lieben-Seutter, freut sich, dass Abbado nach 13 Jahren wieder in der Hansestadt gastiert. Ursprünglich war das Lu-cerne Festival Orchestra bereits im Herbst 2010 fest für eine Residenz in der ersten Saison der Elbphilharmonie eingeplant. Die Verzögerungen beim Bau des neuen Konzerthauses haben dies jedoch verhindert.

„Zumindest einen Teil des Versprechens können wir jetzt mit dem Konzert in der

Laeiszhalle einlösen“, sagt Lieben-Seutter. Der gebürtige Wiener hat Abbado in den achtziger Jahren als Generalmusikdirektor seiner Stadt häufig in Konzerten und bei Opernaufführungen erlebt: „Er machte allen Widrigkeiten zum Trotz auch Dinge möglich, die eigentlich unrealisierbar erschienen.“ So beispielsweise das lange von Lieben-Seutter geleitete Festival „Wien Modern“, das zeit-genössischer Musik in der Stadt längerfristig eine große Plattform verschaffte. Ob Abbados Hamburger Konzert ein gutes Omen für die Elbphilharmonie ist, bleibt nun abzu-warten.

Album Cover für
Bruckner: Sinfonie Nr. 5
Lucerne Festival Orchestra
Claudio Abbado (Leitung)
Accentus Music (DVD/Blu-ray)

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