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Porträt Gerhard Oppitz

Pilot mit Bodenhaftung

Kaum ein Pianist beherrscht ein so großes Repertoire so formvollendet wie Gerhard Oppitz. Nur eine Sache liegt ihm nicht: Eitelkeit

vonTeresa Pieschacón Raphael,

Der „deutsche“ Pianist hat nicht immer das beste Image: trocken akademisch sei er, introvertiert, von vergrübeltem Ernst, etwas weltfremd, ohne Glamour – der Antivirtuose schlechthin. Hört man Gerhard Oppitz, stellt man fest, wie unwichtig alles Äußerliche wird: Durchdacht, klar und doch empfindsam, aus tiefster Seele heraus sind seine Interpretationen, gehen „von Herzen zum Herzen“, wie Beethoven es vorschwebte.

Von klein auf schien Oppitz zu wissen, dass er auf eitle Selbstdarstellung nicht angewiesen war, um als Künstler wahrgenommen zu werden. „Von Anfang an“, erzählt er im Gespräch, „war da eine große Leichtigkeit mit der Kunst und der Musik. Und auch mit der Situation auf der Bühne. Es hat mich nie belastet. Ich habe immer wunderbare Reaktionen gespürt. Die Menschen haben mit Konzentration und Aufmerksamkeit mein Spiel verfolgt, mir zugehört.“ Nichts klingt dabei eitel oder selbstgefällig. Alles wie selbstverständlich.

Gerhard Oppitz – Künstler mit Begabung und tiefgründigem Ernst

1953 wurde er als Sohn eines Glasmalers im bayerischen Frauenau geboren und verbrachte einen Teil seiner Kindheit in Furth im Wald, einen Ort mit fast zehntausend Einwohnern an der Grenze zu Tschechien. „Die Grenze war in Zeiten des Eisernen Vorhangs für uns wie eine undurchdringliche Wand. Es gab so gut wie keinen Austausch, zumindest wahrnehmbar. Unser Blick war immer westlich gerichtet.“ Bald wird sein Vater nach Heilbronn versetzt. Mit kaum elf Jahren tritt Gerhard Oppitz erstmals öffentlich auf, mit Mozarts dramatischem Klavierkonzert in d-Moll. „Daran denke ich gerne und oft zurück. Es war so aufregend auf der Bühne, wie wir uns mit dem Orchester die Bälle zuwarfen. Das war viel spannender als alleine am Klavier zu sitzen. Da dachte ich mir, wie schön dies wäre, wenn es zu diesem Beruf kommen könnte!“ Unter den Zuhörern war damals ein Professor der Stuttgarter Musikhochschule, der ihn gleich unter seine Fittiche nahm.

Jahre später wechselte er nach München, um sich in Hugo Steurers Meisterklasse weiterzubilden. Oppitz’ Begabung und tiefgründiger Ernst, sein Drang nach universeller Bildung zog sehr rasch Gleichgesinnte wie Wilhelm Kempff an, den damaligen Doyen der deutschen Klaviertradition. 1973 lud Kempff den 20-jährigen Studenten ein, an seiner privaten Meisterklasse in Positano teilzunehmen, und wurde für Oppitz wie „ein geistiger Vater“. Gemeinsam studierten sie Beethovens Klavierwerke ein. Heute sagt er, Kempff habe ihm „Mut zur freien Gestaltung“ und „Sinn für Poesie“ mitgegeben. Ein weiterer Förderer wurde Arthur Rubinstein. Als erster Deutscher hatte Oppitz 1977 den begehrten Arthur-Rubinstein-Wettbewerb in Tel Aviv gewonnen, bei dem der neunzigjährige Rubinstein selbst in der Jury saß. Damit wurde Oppitz schlagartig bekannt.

Gerhard Oppitz‘ vielseitige Facetten: Pianist, Pilot und Sprachgenie

Nur wenige Jahre später wurde ihm selbst ein Lehrstuhl an der Münchner Musikhochschule angeboten. Zunächst meinte er, diese pädagogische Aufgabe nicht mit seinen Konzertverpflichtungen vereinbaren zu können, doch dann übernahm er eine Meisterklasse und wurde zum jüngsten Professor in der Geschichte der Hochschule. Hier erst bemerkte er seine große Begabung, wie viel ihm doch „zugeflogen und leichtgefallen“ war. „An der Hochschule merkte ich, dass für manche Studenten die Lernprozesse nicht so leicht ablaufen. Das fing mit dem Vom-Blatt-Spielen an. Das hat mich sehr zum Nachdenken gebracht, wie ich jungen Leuten eine Hilfestellung geben kann, damit sie mehr Freude und Vergnügen an dem Studium haben.“ Vor lauter Üben hätten nur wenige Studenten „den Freiraum, um all dies auf sich wirken zu lassen und zu reifen.“

Begabung – Oppitz wurde davon reich beschenkt, nicht nur hinsichtlich stupender Technik, hoher Musikalität und sensationellem Gedächtnis: Bachs Wohltemperiertes Klavier, die Sonaten von Beethoven und Mozart, sämtliche Werke von Brahms, Schumann und Schubert spielt er so, als seien sie aus ihm heraus entstanden. Sieben Sprachen spricht er, auch die seiner japanischen Frau. Als Pilot fliegt er gelegentlich zu seinen eigenen Konzerten. Dort oben, sagt er, sei er „so glücklich und entspannt wie am Klavier“.

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