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Porträt Minguet Quartett

„Das ist ja nicht ganz jugendfrei!“

Mit seinen Interpretationen lotet das Minguet Quartett nicht nur die Grenzen des Hörens neu aus

vonKatherina Knees,

In den Anfangsjahren einer musikalischen Karriere dreht sich alles um die ersten wichtigen Konzerte, die großen Wettbewerbe, die die Tore zu den Konzertsälen öffnen und um die stetige Erweiterung des Repertoires. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert hat das Kölner Minguet Quartett all diese wichtigen Hürden längst gemeistert, spielt vor ausverkauften Häusern und arbeitet mit renommierten Komponisten zusammen. Die vier Musiker unterrichten, haben Familien gegründet und musikalische Identitätskrisen gemeistert – ihre Spielfreude indes ist bis heute ungebremst. Selbst wer die Domstädter zum ersten Mal im Konzert erlebt, dem ist auf Anhieb klar: Ganz egal, was auf den Notenpulten steht – diese Vier beweisen nicht nur eine gehörige Portion Neugier und Mut auf der Bühne, sondern sind auch erfüllt von der Hingabe zum Werk.

Rihm als Schlüsselmoment

Während Geigerin Annette Rosinger, Aroa Sorin (Bratsche) und Cellist Matthias Diener erst über die Jahre zur heutigen Besetzung gestoßen sind, gehört Primarius Ulrich Isfort dem Quartett seit seiner Gründung im Jahr 1988 an. Schon während seines Studiums hatte der Kölner für sich erkannt, dass er im Quartett musikalisch wohl die größte Erfüllung finden würde – eine ideale Ausgangsbasis, um sich fortan in „seinem“ Minguet Quartett kompromisslos der musikalischen Arbeit zu viert zu verschreiben. Als die Musiker für ihre erste Einladung in die Londoner Wigmore Hall ein zeitgenössisches deutsches Werk auswählen sollten und ihre Entscheidung auf das dritte Streichquartett von Wolfgang Rihm fiel, geriet diese Begegnung zu einem musikalischen Schlüsselmoment: War es doch für Quartett und Komponist Liebe auf den ersten Ton.

Minguet Quartett
Minguet Quartett © Frank Rossbach

Ohren und Herzen öffnen

Mittlerweile liegt eine Gesamteinspielung der Rihmschen Streichquartette vor, zudem säumen viele Uraufführungen den Weg des Ensembles. Im Oktober steht nun die nächste Uraufführung eines Rihm-Werkes an – längst ist die musikalische Sprache des Karlsruhers zur Muttersprache des Quartetts geworden. Daneben haben aber auch Werke Jörg Widmanns und Peter Ruzickas die Arbeit der Kölner stark geprägt; kein Wunder, dass da die Hingabe, mit der sich das Quartett der Neuen Musik widmet, im Laufe der Jahrzehnte immer weiter gewachsen und längst auch preisgekrönt ist: Für ihre Gesamteinspielung aller Streichquartett-Werke von Ruzicka wurden die  Minguets 2010 mit dem Echo Klassik ausgezeichnet, und Anfang dieses Jahres erhielt ihr Album Et Lux den französischen Schallplattenpreis „Diapason d’Or“.

Quell all dieser Erfolge ist ihre leidenschaftliche Annäherung an die Werke, die das Publikum im Konzert ganz unmittelbar spürt – und zwar bei Stücken aus allen Epochen. So kommentierte denn Bariton Christian Gerhaher die erste Mendelssohn-Einspielung des Minguet Quartetts auch spontan mit dem Ausruf „Das ist ja nicht ganz jugendfrei!“ – das Ensemble nahm es schmunzelnd als Kompliment auf. Schließlich halten die Musiker es bei allem was sie tun, stets mit dem Credo ihres Namenspatrons Pablo Minguet: So wie der spanische Philosoph sich einst im 18. Jahrhundert darum bemühte, dem breiten Volk Zugang zu den schönen Künsten zu verschaffen, so möchten die Musiker im Hier und Jetzt die Ohren und Herzen des Publikums öffnen. Für eine leidenschaftlich interpretierte Musik, die im Inneren etwas bewegt.

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