Arkadia Fink, dreizehn Jahre, hat ein Trauma erlitten, als sie den Unfalltod ihrer Mutter miterleben musste. Hartnäckig hält sie daran fest, ihre Mutter sei „nur kurz weggegangen“. Ungewöhnlich eng und exklusiv war diese Mutter-Tochter-Bindung, die alle anderen ausschloss, auch den Ehemann und Vater. Ihre Basis war die Liebe zur Musik, die Arkadia untrennbar mit der Mutter verbindet. Und so glaubt sie, mithilfe der Musik ihre Mutter wiederzugewinnen. Der Weg, den sie beschreitet, ist ein ungewöhnlicher: Sie kämpft darum, in den „weltberühmten Knabenchor“ aufgenommen zu werden. Wenn sie erst als dessen Solistin auf der Bühne steht, wird ihre Mutter unweigerlich im Publikum – und damit wieder bei ihr sein, so Arkadias feste Überzeugung.
Warum sie nicht beschließt, Konzertmeisterin des Bundesjugendorchesters oder Bundespreisträgerin bei „Jugend musiziert“ zu werden, erklärt sich aus der Biografie des Autors: Christopher Kloeble war Mitglied des Tölzer Knabenchores, denn genau der ist gemeint, was man aus unzähligen Details zu den örtlichen und sonstigen Gegebenheiten zweifelsfrei schließen kann. Dass Kloeble dort damals musikalische Höhenflüge wie persönliche Kränkungen erlebte, weiß man schon aus anderen Veröffentlichungen.

Blick durch die Augen eines verletzten Kindes
Hier lässt er den Leser ausgiebig hinter die Kulissen eines solchen Kulturbetriebes schauen und deckt die eine oder andere Schattenseite auf. Doch es ist zu bedenken, dass man quasi durch die Augen eines verletzten Kindes blickt. Für Kloeble war der Knabenchor offenbar nicht der geeignete Ort, sich menschlich und künstlerisch zu entfalten. Doch seine Arkadia kämpft sich durch, weil sie dieses eine Ziel hat, dem sie alles unterordnet. Und als sie es, wenn auch ganz anders als gedacht, erreicht, kehrt sie dem Chor den Rücken. Die Musik hat sie zu sich selbst gebracht, sie kann sich dem Leben und ihrer Umgebung wieder öffnen.
Christopher Kloeble: Durch das Raue zu den Sternen
Klett-Cotta
240 Seiten
24 Euro