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Bücherherbst – Ewa Maria Wagner: Tristan-Akkord

Verstreute Dissonanzen

„Tristan-Akkord“ von Ewa Maria Wagner ist ein Roman über die Musik und das Schreiben, der lange nachklingt.

vonRaphaela Hag,

Als „Tristan und Isolde“ 1865 uraufgeführt wurde, überforderte Richard Wagner damit das Publikum. Seine harmonische Grenzsprengung, die sich leitmotivisch durch die Oper zieht, gilt heute als Wendepunkt zur atonalen Musik: der Tristan-Akkord. Diesen transferiert Namensvetterin Ewa Maria Wagner mit ihrem gleichnamigen Romandebüt ins Literarische.

Ev hat es weit gebracht als Bratschistin in einem niederländischen Orchester. Sie lebt damit den Traum ihres Vaters. Oder? Dessen Traum von einer Solokarriere als Geiger platzte im Zweiten Weltkrieg. Sagt er. Solche Dissonanzen streut die Autorin in ihren flüssig lesbaren und schlüssig erscheinenden Roman. Kurz vor ihrem 50. Geburtstag droht Ev die Kündigung und zwingt sie, sich in der zermürbenden Phase der Ungewissheit ihrem blinden Fleck zu stellen: Welche Rolle spielt die Musik wirklich in ihrem Leben? Und welchen Anteil daran hat ihr Vater, nach dessen Anerkennung sie seit Kindertagen in Schlesien vergeblich strebt?

Eindrücklich beschreibt Ewa Maria Wagner, wie Ev in diesem aufwühlenden Prozess ihre lang verschüttete Leidenschaft fürs Schreiben wieder zu Tage fördert. Kann sie damit einen Neuanfang wagen und ihre polnisch-deutschen Wurzeln und die bis in ihr Leben hineinragenden Schrecken des Krieges hinter sich lassen? In der Oper vereinigen sich Tristan und Isolde schlussendlich im Liebestod; der Tristan-Akkord findet seine Auflösung in H-Dur. Im Roman bleibt die Auflösung der Dissonanzen dem Leser überlassen. Der Tristan-Akkord klingt nach.

Buch-Tipp:

Album Cover für Tristan-Akkord

Tristan-Akkord

Ewa Maria Wagner Urachhaus, 304 Seiten 24 Euro

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