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Bücherherbst – Maarten ’t Hart: Der Nachtstimmer

Orgelklempner trifft Kapitänswitwe

Eine Außenseiterballade erzählt von verwickelten Gefühlen rund um ein komplexes Instrument.

vonRaphaela Hag,

Die Orgel ist das „Instrument des Jahres 2021“. Um sie dreht sich Maarten ’t Harts neuer Roman „Der Nachtstimmer“: Gabriel Pottjewijd, einen Eigenbrötler mit absolutem Gehör, verschlägt es in ein frömmlerisches Kaff in Südholland, wo er die Garrels-Orgel in der Groote Kerk stimmen soll. In der vermeintlich schwachsinnigen Lanna findet er eine begabte Assistentin. Doch der selbst durch Kirchenmauern dringende Lärm wie das „grässliche Heulen von pneumatischen Bohrern“ auf der naheliegenden Werft oder „das beleidigte Kreischen der Mantelmöwen“ stört die beiden, sodass sie ihre Arbeit unter Aufsicht von Lannas kapriziöser Mutter Gracinha in ruhigere Stunden verlegen müssen. Die vorsichtige Annäherung des „Orgelklempners“ und der schönen Kapitänswitwe bleibt nicht unbemerkt und sorgt für Neid unter ihren verschmähten Verehrern. Zunehmend fühlt sich Gabriel verfolgt und gerät in absurde Situationen, die ihn sogar um sein Leben bangen lassen.

Von Arp Schnitger, dem „Stradivari unter den Orgelbauern“, über „flamboyante“ Organistinnen und Wolfsquinten bis zur Artistik beim Stimmen – ’t Hart liefert eine Fülle an Informationen und amüsanten Betrachtungen, die zunächst den Einstieg in die Geschichte erschwert. Doch seine sich bis ins Krimihafte steigernde Lust am Fabulieren lässt auch Raum für leise Töne wie für die Trauer um ihre Partner, die Gabriel und Gracinha verbindet. So erzählt ’t Hart nicht nur von einem bibelfesten, vom Glauben abgefallenen Antihelden, der Nächstenliebe lebt, sondern zeigt auch, warum die Orgel ein aufregendes und komplexes Instrument ist.

Buch-Tipp

Album Cover für Der Nachtstimmer

Der Nachtstimmer

Maarten ’t Hart Piper, 320 Seiten 24 Euro

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