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Mozart: Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543

(Entstehungszeit 1788) Vom ersten Akkord an spürt man: Der Bläserklang ist anders, ist neu. In dieser Sinfonie treten die Klarinetten nicht zu den Oboen hinzu, sondern an deren Stelle. Der warme, schimmernde Ton der Klarinetten färbt im Zusammenspiel auf den Klang der Fagotte und Hörner ab. Auch die Tonsprache ist anders, ist neu: Mozarts Stil…

(Entstehungszeit 1788)

Vom ersten Akkord an spürt man: Der Bläserklang ist anders, ist neu. In dieser Sinfonie treten die Klarinetten nicht zu den Oboen hinzu, sondern an deren Stelle. Der warme, schimmernde Ton der Klarinetten färbt im Zusammenspiel auf den Klang der Fagotte und Hörner ab. Auch die Tonsprache ist anders, ist neu: Mozarts Stil 1788 ist nicht mehr elegant und verbindlich, sondern ungeschminkt und direkt. Man könnte vom romantischen Mozart sprechen, aber – um kein Missverständnis zuzulassen – romantisch war ihm wahrlich nicht zumute: die Es-Dur-Sinfonie entstand zwischen Bittbriefen aus bitterer finanzieller Not an den Logenbruder Michael Puchberg.

Die Adagio-Einleitung – von der Pauke geführt – beginnt wie eine Einladung: „Kommen Sie doch zu mir und besuchen mich, ich habe in den 10 Tagen, dass ich hier wohne, mehr gearbeitet als in anderen Logis in 2 Monat.“ Nach drei großen harmonischen Portalen tritt der Besucher in die Werkstatt – und erschrickt, denn gerade stockt der Elan des Meisters, und die Elemente der Einleitung treiben ziellos durcheinander: „Und kämen mir nicht so schwarze Gedanken (die ich mit Gewalt ausschlagen muss), würde es mir noch besser von Statten gehen.“ Schrille Dissonanzen erzwingen den Fortgang, dann sinkt die Einleitung melancholisch in sich zusammen … der Allegro-Hauptteil wagt kaum einzusetzen. Seine Themen sind schön, aber bleich (sempre piano), kunstvoll in Kontrapunktik und Instrumentation, aber voll schwarzer Gedanken … Die kämpferischen Tutti schlagen diese mit Gewalt aus; ihr trotziger Gestus klingt schon fast wie Beethovens fünfzehn Jahre später entstandene Eroica – gleiche Tonart (Es-Dur), gleiche Taktart (¾), aber anderer Geist und andere Zeit …

Das Andante con moto ist formal ein Rondo mit Variationscharakter: A1-B1-A2-B2-A3; dem ruhigen Tempo angemessen sollte man von einem schreitenden Reigen sprechen. Der Dichter E.T.A. Hoffmann (er gab sich selbst aus Liebe zu Mozart den dritten Vornamen Amadeus) schrieb 1810 – romantisch einfühlsam – dazu: „Liebe und Wehmut tönen in holden Stimmen, die Nacht der Geisterwelt geht auf in hellem Purpurschimmer, und in unaussprechlicher Sehnsucht ziehen wir den Gestalten nach …“ Intensivster Ausdruck dieser Sehnsucht ist eine lang gezogene Melodie der Violinen kurz vor Schluss, die in einem Akkord von „unaussprechlichem“ Schmerz gipfelt – in der Musiksprache ein fes-Moll Quintsextakkord als verminderter Dominantseptnonakkord mit kleiner Sext als Vorhalt zur Quint …

Das Menuett klingt nicht mehr höfisch: Es hat Straßenschuhe an, die Bläserakkorde trampeln auf dem Pflaster, die Melodie teilt deftig aus. Umso zauberhafter wirkt das Trio: ein volkstümlicher Ländler mit schelmischen Echoeffekten.

Zum Allegro-Finale streckt der Dirigent die Taktstock-bewehrte Rechte vor, gibt mit der Linken am Frackrevers für die Violinen vier Schläge voraus, bei Vier! zuckt der Taktstock, und die Violinen setzen ein – ein heikler Anfang, ein ungestümer Satz! Wie gepeitscht geht es über die Saiten! Die Tür zur Durchführung wird aufgetreten, dann bekommen alle den Kopf gewaschen! Am Schluss schmeißt Mozart – von außen – die Tür zu.

Dieser abschnappende Schluss gefiel nicht allen, aber das interessierte Mozart nicht mehr – zu seinen Lebzeiten war die Sinfonie nie erklungen; wir aber dürfen uns einen Fußtritt von Mozart gern gefallen lassen!

(Mathias Husmann)

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