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Kurz gefragt Al Jarreau

„Welche Musik ich mache? Jazzy R’n’B-Pop!“

Diesen Herbst macht Al Jarreau eine Konzerttournee durch Europa. In einem Hotel seiner Heimatstadt Milwaukee sprach er mit uns über …

vonMaximilian Theiss,

 … seine deutschen Begegnungen in Amerika

Al Jarreau: Gerade sitze ich in einem Hotel in Milwaukee, um einen Preis entgegenzunehmen. Das war auch das Hotel, in dem ich mit 20 Jahren meine ersten Auftritte hatte. Gegründet wurde das Hotel von einem Deutschen, gelegen ist es in Fußweite zu drei Brauereien, die ebenfalls von Deutschen gegründet wurden: zur Pabst Brewery, der Schlitz Brewery und der Blatz Brewery. Die deutsche Kultur hat mich und meine Karriere also schon gefördert, bevor ich überhaupt das erste Mal nach Deutschland kam!

… seine ständige Suche nach Neuem

Al Jarreau: Auch mit 76 Jahren möchte ich mich weiterentwickeln, für Stillstand ist keine Zeit. Deshalb freue ich mich auch schon so auf die kommende Tour durch Deutschland und Europa: Die meisten Songs des Duke-Ellington-Programms, das ich gemeinsam mit der NDR Bigband auf die Bühne bringe, habe ich zwar schon öfters gesungen (erstmals übrigens unten in der Lobby des Pfister Hotels …), aber da wollte ich immer möglichst nah am Original sein. Diesmal geht es uns darum, die Arrangements so zu gestalten, dass am Ende völlig neue Ellington-Versionen entstehen. Das ist übrigens unter anderem auch nur deshalb möglich, weil der ehemalige Bandleader Jörg Keller und ich bereits vor fünf Jahren zusammengearbeitet haben. Wir kennen uns also entsprechend gut, so dass jeder einfach den einen oder anderen Vorschlag in den Raum wirft und man daraus etwas macht – oder den Vorschlag am Ende verwirft.

… die deutsche Jazz-Szene

Al Jarreau: Als ich 1975 das erste Mal nach Deutschland kam, gab es bereits eine blühende Jazz-Szene. Da können wir wieder die NDR Bigband als Beispiel nehmen: Die wurde bereits 1945 gegründet. Als ich also in Hamburg ankam, konnte die Stadt auf eine mindestens dreißigjährige Jazz-Geschichte zurückblicken. Meinen ersten Auftritt hatte ich dann auch bei Onkel Pö, Hamburgs legendärem Jazzclub. Ich war erstaunt, wie aufgeschlossen damals das Publikum war, schließlich war mein, nun ja, individueller Gesangsstil damals noch etwas völlig Neues.

… das amerikanische Publikum

Al Jarreau: Zwischen amerikanischen und deutschen oder europäischen Zuhörern gibt es eigentlich keinen Unterschied – bis auf einen entscheidenden: In Amerika sucht man ständig nach dem Neuartigen. Das habe ich schon zu Beginn meiner Karriere gemerkt: Bei den Konzerten in den USA kamen die Leute um zu hören, was denn dieser Al Jarreau da macht (ich selbst würde meine Musik ja als „jazzy R ’n’ B Pop-Musik“ bezeichnen, das nur am Rande). Aber dann kam jemand anderes Interessantes nach mir und nach ihm der nächste, bis irgendwann mal Justin Bieber an der Reihe war. In Europa ist das anders: Hier genießen es die Leute, wenn sie Musik schon kennen und dann wiedererkennen können.

… seine Heimatstadt Milwaukee

Al Jarreau: Leider komme ich nicht mehr so oft hierher, wie ich es gerne hätte. Eigentlich bin ich nur noch hier, wenn ein Freund oder ein Bekannter beerdigt wird – das bringt nun mal meine derzeitige Lebensphase mit sich. Aber Milwaukee ist nicht mehr das Milwaukee, das ich aus meiner Kindheit noch kannte – selbst an einer verhältnismäßig kleinen Stadt geht die Zeit nicht vorüber, wie manche gerne glauben würden. Dennoch bleibt es meine Heimat, und ich freue mich jedes Mal, wenn ich an die Orte meiner Kindheit zurückkehren kann.

… das Kreuz mit der Technik

Al Jarreau: Ist das nicht merkwürdig: Ich bin gerade in Milwaukee und könnte mit meinem Handy die Heizung in meinem Haus in Los Angeles steuern. Diese Möglichkeiten und vor allem unsere Abhängigkeit davon machen mir ehrlich gesagt ein bisschen Angst. Wenn man sich die jungen Leute ansieht, deren Kinn an der Brust befestigt zu sein scheint, weil sie ständig in ihr Handy starren: Ich glaube nicht, dass das Kommunikation sein kann, egal ob sie nun ein Spiel spielen oder mit ihrem Partner den Einkauf planen.

… Bekanntschaften beim Sport

Al Jarreau: Früher bin ich sehr viel gejoggt, auch auf Tourneen. Als ich das erste Mal in Hamburg war, gab es an der ganzen Alster keine Jogger, ich war da allein auf weiter Flur. Die Sportart war noch nicht angekommen in Europa. Es war tiefster Winter damals, und ich kam mir ziemlich verloren vor – bis mir nach langer Zeit ein anderer Jogger entgegenlief. Zwar würdigte er mich keines Blickes, aber er reckte den Daumen in die Höhe, was ich ihm gleich tat. Eine knappe, unterkühlte, aber dennoch herzliche Geste. Das hat mich beeindruckt.

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