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Blickwinkel: Jutta Koether

„Mit dem Herz ist auch Kitsch verbunden“

Die in Berlin und New York lebende Künstlerin Jutta Koether hat das Plakat zum hundertjährigen Jubiläum der Donaueschinger Musiktage gestaltet. Warum es ausgerechnet ein Herz geworden ist, verrät sie im Interview.

vonJulia Hellmig,

Welcher Gedanke ging Ihnen zuerst durch den Kopf, als Sie mit der Plakatgestaltung betraut wurden?

Jutta Koether: Ich empfand es als große Ehre, denn als junger Mensch habe ich die Donaueschinger Musiktage immer als etwas Mythisches empfunden. Außerdem kommt es gar nicht so oft vor, dass ich beauftragt werde, etwas für die Öffentlichkeit zu gestalten – und jetzt sogar zum Jubiläum!

Wie würden Sie Ihr Plakatmotiv beschreiben?

Koether: Ich habe dazu auf ein Motiv meiner Performance-Bilder zurückgegriffen. Es ist zum Beispiel nicht ganz klar, wie herum es aufgehängt wird. Es ist in ständiger Bewegung. Das Herz, das als universelles Symbol eine große Aussagekraft hat, habe ich schon einmal verwendet. Allerdings habe ich es für das Plakat vergrößert und zur Seite gekippt. In die Strukturen, die auf dem Herz sichtbar sind, kann sich das Auge bei näherer Betrachtung so richtig hineinarbeiten und immer Neues entdecken.

Der Betrachter darf also das Offensichtliche, nämlich das Herz, erkennen?

Koether: Auf jeden Fall! Mit dem Herz ist auch Kitsch verbunden. Aber genau mit diesen Stereotypen spiele ich hier. Man hat eine bestimmte Vorstellung von etwas und weiß doch nichts. Das ist wie bei den Musiktagen. Sie finden jedes Jahr statt und sind doch jedes Mal anders.

Sie bezeichnen sich selbst als Painter, Performer und Participant. Inwiefern sind diese Facetten mit in die Gestaltung eingeflossen?

Koether: Einerseits lasse ich das Plakat an sich performen. Und andererseits habe ich das Herz-Motiv Anfang 2020 ganz offensiv in einer Performance eingesetzt. Das Performative kann man auch im übertragenen Sinn verstehen. Zum Beispiel funktioniert ein riesiges Bild nur, wenn auch entsprechend Platz vorhanden ist, etwa in einer großen Halle. Kleinere Objektbilder kann man hingegen als Gegenstücke einsetzen, als Reihe aufhängen oder in andere Medien übertragen und integrieren.

Wie stehen Musik und Malerei für Sie in Verbindung?

Koether: Einerseits war ich früher viel als Musikjournalistin unterwegs und habe auch viel über Musik geschrieben. Das war sicher mit ein Grund, warum man mich für das Plakatmotiv ausgewählt hat. Hören, Schreiben und physisches Wahrnehmen von Musik hat mich mein ganzes Leben lang begleitet. Mitte der neunziger Jahre habe ich selbst Musik gemacht und im öffentlichen Raum Bildende Kunst, Musik und Text in Installationen zusammengefasst. Diese Wechselwirkung hat es bei mir schon immer gegeben. Trotzdem setzte ich nicht immer sofort alles bildlich um, was ich gehört habe. Mittlerweile bin ich nicht mehr so viel in der Rock- und Popmusik unterwegs, sondern mehr in der Avantgarde oder im Jazz. Musik ist immer da und wird auch immer vorhanden sein.

Und dann kam Corona. Welche Auswirkungen hatten die letzten anderthalb Jahre auf Ihre Arbeit?

Koether: Ich konnte mich voll auf meine Arbeit konzentrieren und habe versucht, das Ganze als Meditation mit unbekanntem Ausgang zu betrachten. Und ich hatte einen großen Fundus an Ideen, aus dem ich schöpfen konnte, und musste zum Glück nicht so sehr leiden wie manch andere. Aber jetzt im Nachhinein merke ich doch, wie sehr ich mich verändert habe. Auch meine Malweise hat sich verändert. Letztes Jahr war sie sehr geschlossen und auf mich bezogen, und jetzt ist sie offener als je zuvor. Es war schon eine seltsame Zeit …

Künstlerplakat zu den Donaueschinger Musiktagen 2021 von Jutta Koether
Künstlerplakat zu den Donaueschinger Musiktagen 2021 von Jutta Koether

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