Startseite » Interviews » Blickwinkel » „Den Crossover-Gedanken pflegen wir hier nicht!”

Blickwinkel Christian Lenzing – Das Pop-Abo

„Den Crossover-Gedanken pflegen wir hier nicht!”

Christian Lenzing arbeitet am Konzerthaus Dortmund im Künstlerischen Betriebsbüro und rief ein Pop-Abonnement ins Leben, das sich seit 2006 großer Beliebtheit erfreut.

vonSusanne Bánhidai,

Mittlerweile haben sich viele Musen-Türme der Klassik anderen Genres geöffnet – auch der Pop-Musik. Aber nur am Konzerthaus Dortmund gibt es diese Musikrichtung im Abonnement. Warum?  

Wir holen Popmusik auf die Bühne, wo sonst Weltorchester spielen. Wir empfinden diese Musik als gleichwertig, und dazu gehört auch, diese Konzerte im Abo anzubieten wie die Klavier-Rezitale oder die Orchesterzyklen. Das Format passt wunderbar zum aktuellen Pop.   

Wie wählen Sie die Acts aus? 

Es ist wichtig, dass die Musik gut in den Saal passt, der für akustische Musik konzipiert wurde. Daher liegt der Fokus auf akustisch dargebotenen Pop nach dem Vorbild von „MTV Unplugged“. Wir schauen sehr genau, ob es möglich ist, den Stil der Künstlerinnen und Künstler beizubehalten. Ein Synthesizer ist aber nicht verboten, der akustische Sound wird nicht dogmatisch umgesetzt. Die Instrumente werden technisch exzellent verstärkt. Auf die Sound-Anlage haben wir seit jeher ein besonderes Augenmerk und in den letzten Jahren sehr viel in sie investiert. 

Was ist das Besondere an einem Popkonzert im Konzertsaal? 

Es ist eigentlich ein normales Konzert im Hochkulturbetrieb, nur hat die Musik einen anderen Ursprung. So ein Konzert im Pop-Abo ist immer ein audiophiles Erlebnis. Man kann der Musik konzentriert auf einem bequemen Sitz lauschen, der Blick ist ohne Ablenkung zur Bühne gerichtet – ganz bewusst ohne den Konsum von Getränken. Das künstlerische Schaffen erhält dadurch eine hundertprozentige Würdigung, woran sich einige Kunstschaffende oft erst gewöhnen müssen. Es geht uns nicht darum, Schwellenängste zur Klassik abzubauen. Wir wollen schlichtweg hochwertiges Songwriting in unseren klassischen Konzertsaal holen. Den Crossover-Gedanken pflegen wir hier nicht. 

Was zeichnet das Publikum aus? 

Das Publikum ist ziemlich heterogen. Menschen, die Popmusik bereits mehrere Jahrzehnte verfolgen, genießen es, gute Musik bei toller Akustik in ruhiger Atmosphäre auf Konzerthaussitzen zu genießen. Aber auch die jüngeren Generationen sind dankbar, diese Künstler mal auf diese Weise zu erleben.

Wie reagieren die Künstlerinnen und Künstler, wenn sie für das Abo angefragt werden? 

Die sorgsam ausgewählten Acts wissen es sehr zu schätzen, in einer solchen Venue zu spielen. Jene, die den Saal das erste Mal betreten, sind fast schon ehrfürchtig wegen der enormen Deckenhöhe. Der Konzertsaal scheint allein beim Anblick einen hohen Anspruch von sich aus zu vermitteln, der die Kreativen auf der Bühne mitzunehmen scheint.

Wie stellen Sie ein Abonnement zusammen? 

Natürlich bemühen wir uns um größtmögliche Vielfalt. Gern arbeiten wir genauso dramaturgisch wie in den Reihen mit Klassik und präsentieren Musik, von der wir annehmen, dass die Pop-Liebhaber sie noch nicht kennen. Da wir so überzeugt von der Qualität sind, stellen wir sie dem Dortmunder Publikum enthusiastisch vor. Von unserem Abo-Publikum wissen wir, dass sie das Paket kaufen, um sich inspirieren zu lassen. Das ist ein enormer Vertrauensbeweis für unser Haus. In der kommenden Spielzeit erwarten wir Gizmo Varillas und Dekker, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen. Die schon etablierte Künstlerin Cat Power besucht uns mit einem besonderen Programm: Sie interpretiert das Royal-Albert-Hall-Konzert von Bob Dylan aus dem Jahr 1966.   

Auch interessant

Rezensionen

  • Singender Erzähler und erzählender Sänger: Julian Prégardien
    Blind gehört Julian Prégardien

    „Das holt mich nicht ab“

    Tenor Julian Prégardien hört und kommentiert Aufnahmen von Kollegen, ohne dass er weiß, wer singt.

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!