Startseite » Oper » Opern-Kritiken » Giulia e Cleopatro

Opern-Kritik: Deutsche Oper am Rhein – Giulio Cesare in Egitto

Giulia e Cleopatro

(Duisburg, 30.11.2025) Genderfluides hat Konjunktur. Bereits bei Händel könnte es in der Tat angelegt sein. Darauf legt es Regisseurin Michaela Dicu in ihrer Deutung jedenfalls voll an, was sich nicht nur als Vorteil erweist.

vonMichael Kaminski,

Cesare ist eine Frau, Cleopatra ein Mann. Die Titelfigur kann’s womöglich hergeben. Bei der Uraufführung verkörperte niemand Geringerer als der Mezzokastrat Senesino den römischen Eroberer. Cesare nun mit einer Frau in gleicher Stimmlage zu besetzen, dünkt daher kein allzu gewagter Schritt. Auch dass die von Händel für die Pharaonin vorgesehene Sopranistin an der Deutschen Oper am Rhein gegen einen männlichen Kollegen ausgetauscht wird, scheint erwägenswert. Dennoch stellt sich die Frage nach dem künstlerischen Mehrwert. Zumal Regisseurin Michaela Dicu ihre Deutung des Werks auf dem Geschlechtertausch basiert. Aus Cesare wird Giulia, um das Wesen weiblicher Machtausübung zu ergründen. Cleopatra wandelt sich zum Mann, auf dass beleuchtet werde, inwieweit Herrschende ihren Liebesempfindungen nachgeben dürfen.

Zwiespältige Geschlechterrochade

Für Cesare leuchtet die Umwandlung zur Frau lange Zeit ein. Giulia vereinbart oft eher Männern zugeschriebene Geradheit, Initiative und Durchsetzungsfähigkeit mit einem wohl oft als weiblich betrachteten Anteil privater Schmiegsamkeit und Verspieltheit. Hingegen bedient Giulias öffentlicher Habitus sich zielführend des ihr innewohnenden Aggressionspotentials. Kontrahenten stößt sie durch die Gegend, lässt sie gar zu Boden gehen. Aktionen wie diese resultieren aus einer durchaus männlichen Körperspannung. In der Verbindung mit weiblicher Anmut nimmt so Giulia beträchtlich für sich ein. Indessen verliert sich nach der Pause fortschreitend die maskuline Muskelspannung. Der virile Anteil der Figur droht abhanden zu kommen. Es fehlt hier an Konsequenz. Doch im Ganzen überzeugt die Sichtweise.

Szenenbild aus „Giulio Cesare in Egitto“
Szenenbild aus „Giulio Cesare in Egitto“

Cleopatras Vermännlichung

Erhebliche Bedenken weckt Cleopatras Vermännlichung. Allererst aus stimmlichen Gründen. Sopranistinnen sind ihren männlichen Kollegen an Durchschlagskraft meist überlegen. Eine maskuline Pharaonin muss daher bloße Behauptung bleiben. Das genderfluide Geschehen wird von Bühnenbildner Rifail Ajdarpasic in einen vom Wort POWER konstituierten Raum versetzt. Fortwährend prangt allein das W im Hintergrund. Die anderen Buchstaben wechseln ihre horizontalen wie zudem vertikalen Positionen, um mannigfache Ein- und Durchblicke auf öffentliche Schauplätze und private Interieurs zu eröffnen. Ariane Isabell Unfried kleidet die Titelfigur in eine Synthese aus fraulichem Chic und militärischer Erscheinungsweise. Noch das güldene Pailettenkleid an der Cocktailbar zeigt sich vom Schuppenpanzer inspiriert.

Szenenbild aus „Giulio Cesare in Egitto“
Szenenbild aus „Giulio Cesare in Egitto“

Barock zwischen Routine und Virtuosität

Musikalisch erfüllt die Geschlechterrochade manchen Wunsch. Unter Patrick Francis Chestnut und Albert Horne entledigt sich der Chor des Hauses klangschön seiner überschaubaren Aufgabe. Routiniert lässt Attilio Cremonesi die Duisburger Symphoniker aufspielen. Die Affektschübe äußern sich moderat. Spannung kommt selten auf. Für die Titelpartie gebietet Anna Harvey über vokale Glut und Emphase. Ihre Koloraturgeläufigkeit wird in den Folgevorstellungen noch gewinnen. Unerachtet der grundsätzlichen Einwände, verkörpert Dennis Orellana eine hochvirtuose Cleopatra. Orellana zeichnen vollendete Tongebung, wunderbar gerundete melodische Bögen, perfektes Legato und perlende Koloraturen aus. Für Tolomeo verfügt Countertenor Tobias Hechler über heldischen Furor.  

Deutsche Oper am Rhein
Händel: Giulio Cesare in Egitto

Attilio Cremonesi (Leitung), Michaela Dicu (Regie), Rifail Ajdarpasic(Bühne), Ariane Isabell Unfried (Kostüme), Michael Kantrowitsch (Licht), Patrick Francis Chestnut & Albert Horne (Chor), Paolo Fossa (Choreografie), Anna Harvey, Dennis Orellana, Katarzyna Kuncio, Maximiliano Danta, Tobias Hechler, Roman Hoza, Torben Jürgens, Annabel Kennedy, Duisburger Philharmoniker und Continuo-Gruppe, Chor der Deutschen Oper am Rhein






Auch interessant

Rezensionen

  • Tag 1
    Der Klingende Adventskalender: 1. Dezember 2025

    Tag 1

    Heute können Sie dank unseres Klingenden Adventskalenders wieder einen tollen Preis gewinnen. Können Sie unser Musikrätsel lösen? Probieren Sie es am besten gleich aus!

Newsletter

Jeden Donnerstag in Ihrem Postfach: frische Klassik!