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Opern-Kritik: Kammeroper Rheinsberg – Die Fledermaus

Faschingsschwank aus dem Ruppiner Land

(Rheinsberg, 2.8.2025) Georg Quanders „Fledermaus“-Inszenierung bei der Kammeroper Rheinsberg bietet süffisanten Kammerspielrausch zwischen Ironie, schauspielerischer Größe und zarter Brillanz.

vonPatrick Erb,

Trifft ein natürliches Gespür, ausgedehnt zu feiern, auf eine Gesinnung, die keine Geldnot, dafür aber reichlich Langeweile kennt, liegt närrischer Sprengstoff in der Luft. Kommen auch noch die charmanten Rachepläne eines Dr. Frank hinzu, der seine Ehre gegenüber seinem Freund Gabriel von Eisenstein gewahrt sehen möchte, wird es brisant. Diesen Rachefeldzug und die rhapsodische Vorgeschichte, wie es überhaupt dazu kam, erzählt Regisseur Georg Quander, vormals Chef an der Berliner Staatsoper Unter den Linden, in der neuen Sommerproduktion von Johann Strauß’ „Die Fledermaus“ an der Kammeroper Rheinsberg.

In den Schlosshof verlegt, zeigt Quander das Stück nah am Original und verzichtet wohltuend auf abstrakte Umdeutungen. Dirigent des Abends ist Christian van den Berg-Bremer am Klavier, der, ganz im Geist der Kammeroper, das Werk in einer Fassung für sieben Musiker vornehm zu adeln versteht. Gemeinsam mit Flöte, Klarinette und Streichquartett sorgt er für eine fein gesponnene Schauspielmusik, die den orchestralen Strauss’schen Pomp nur stellenweise vermissen lässt. Etwa bei der großen Sehnsuchtsarie der ungarischen Gräfin oder in der szenischen Ouvertüre.

Szenenbild aus „Die Fledermaus“
Szenenbild aus „Die Fledermaus“

Humoristischer Rachefeldzug mit Vorgeschichte

Schon in dieser zeigt sich: Eisenstein und Frank sind Männer von Welt, die weder sittliche Grenzen noch Moral kennen. Der Schlossinnenhof wird zur treffenden Kulisse ihrer ausgiebigen Lust, im nächtlichen Rausch grölend umherzuschweifen. Mit schweren Folgen für den sonst angesehenen Frank, der infolge seiner Trunkenheit und der unterlassenen Hilfe seines Freundes dem öffentlichen Spott preisgegeben wird. Den Arkadengang des Schlosses mit Blick auf den See binden die Darsteller stimmig in die Handlung ein. Er dient zugleich dem Orchester als überdachte Spielstätte.

Doch nicht Wien, nicht Rheinsberg, das Berlin der 1920er ist der eigentliche Handlungsort. Das verraten Lorraine Pudelko, die als sächselnde Ost-Adele mit vollem Körpereinsatz und fast performativer Mimik aufblüht – sie könnte qualitativ durchaus größere Bühnen besingen –, und später im Stück der Frosch, den der erfahrene Merten Schroedter als latent gestressten Berliner Gefängniswärter genüsslich verkörpert.

Szenenbild aus „Die Fledermaus“
Szenenbild aus „Die Fledermaus“

Mal Schauspiel, mal Gesang, mal beides

In den Hauptrollen beweisen Maximilian Vogler als Eisenstein und Amelie Sophie Gorzellik als Rosalinde ein souveränes Verständnis ihrer Figuren. Jung, adrett, snobistisch: Vogler überzeugt mit affektierter Geste, mimisch wie sprachlich auf den Punkt. Gorzellik hat als Rosalinde deutlich mehr zu singen. Ihre süffisante Darbietung inkognito als ungarische Gräfin trifft den Kern. Auch wenn gerade hier das akustisch fordernde Besingen des Innenhofs zum Hindernis wird.

Bariton Robin Park liefert mit basaler Tiefe einen vielversprechenden Dr. Frank. Doch seine Klasse muss sich noch im innovativeren Schauspiel und in mehr sängerischem Leben zeigen. Dankbare Ironiezitate verhelfen derweil Ferdinand Dehner zu süßesten Tenorfarben: Als Alfred macht er Rosalinde zunächst als Schwanenritter Lohengrin den Hof („Zum Kampf für eine Magd zu stehn, der schwere Klage angetan…“), um später als Verdis Troubadour für Eisenstein die Strafe zu verbüßen („Einsam steh’ ich, verlassen, kann meine Qual nicht fassen…“).

Der zweite Akt gerät in die derzeit viel bemühte Ästhetik der feierwütigen, queeren Berliner Untergrundgesellschaft jener Zeit – eine Welt, die weder Maß noch Regeln kennt –, prächtig ausstaffiert in den zahlreichen schimmernden, schrillen, ägyptisierenden, Kostümen von Julia Dietrich. Rebecca Aline Frese, irgendwo zwischen Gouvernante und Marlene Dietrich im taillierten Hollywood-Frack-Verschnitt, stellt den Prinzen Orlofsky als charmant vornehme Salonnière mit Zepter-Gehstock dar. Genderfluid, aber im Vergleich zu Barrie Kosky immerhin abgerüstet. Die ostdeutschen Stereotype zahlen dabei glaubhaft auf das Humor- und Lokalkonto ein.

Szenenbild aus „Die Fledermaus“
Szenenbild aus „Die Fledermaus“

Alors on danse

Wie gelingt nun schließlich eine gute „Fledermaus“ jenseits der Operettenklischees? – Mit Bewegung. Denn stärker als virtuoser Gesang schlägt hier das Schauspiel zu Buche. Umso mehr, wenn das Publikum von drei Seiten beobachtet. Die Regie setzt auf eine stetig dynamische Choreografie. Deshalb füllen auch nur wenige Requisiten die Bühne. Die Figuren – vor allem die Protagonisten – haben einen Spin, wechseln den Blickwinkel zum Publikum, sind ständig in Bewegung. Wo Gesang nicht reicht, wo die Worte ausgehen, tanzt man umeinander.

Die Beanspruchung lohnt sich: Das gesamte Ensemble – die Darsteller ebenso wie der als Feiergesellschaft fungierende Chor des Vokalsystem Berlin – pausiert kaum. Auch nicht das kleine, zarte, vielleicht manchmal auch zu leise Instrumentalensemble.

Schloss Rheinsberg
J. Strauss (Sohn): Die Fledermaus

Christian van den Berg-Bremer (Klavier & Leitung), Georg Quander (Regie), Julia Dietrich (Bühne & Kostüm), Melania Mazzaferro (Choreografie), Johannes Wolff (Chor), Maximilian Vogler, Amelie Sophie Gorzellik, Lorraine Pudelko, Robin Park, Rebecca Aline Frese, Hans Kim, Ferdinand Dehner, Leo Bachmann, Sofie Thomas, Merten Schroedter, Vokalsystem Berlin, Salonorchester der Kammeroper Rheinsberg






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