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Opern-Kritik: Staatstheater Mainz – Die Piraten von Penzance

Volle Breitseite

(Mainz, 25.11.2023) Die durch und durch britische Operette des Duos Gilbert und Sullivan zählt zu den anarchisch-irrwitzigsten Hervorbringungen des Genres überhaupt. Entschlossen bedient Regisseur K.D. Schmidt sämtliche Klischees, die das Stück hergibt. Vom Pult aus legt sich Samuel Hogarth für seine britischen Landsleute ins Zeug.

vonMichael Kaminski,

Final kommt die Blaublüterschaft der ganzen den Kurort Penzance an Cornwalls Küste verunsichernden Piratenbande zutage. Kein Happy End vermag mehr Glück zu stiften als dieses. Die adeligen Ex-Seeräuber sehen ihrer Domestizierung durch das britische Establishment entgegen. Generalmajor Stanley bringt seine Töchterschar, deren Zahl der Belegschaft eines kompletten Mädchenpensionats nahekommt, an die Jungbaronets und Nachwuchslords mit Freibeutervergangenheit und folglich unter die Haube. Auch die zum Heldentum wenig geneigte Polizeitruppe kann ihre Fahndung nach den Piraten einstellen, um künftig eine ruhige Kugel zu schieben. Das Ganze ist in etwa so glaubwürdig wie ein Rosamunde-Pilcher-Elaborat. Was aber zuvor geschieht, lässt die durch und durch britische Operette zu den anarchisch-irrwitzigsten Hervorbringungen des Genres überhaupt zählen.

Paul Ziehmer, Brett Carter und Robin Haug in „Die Piraten von Penzance“
Paul Ziehmer, Brett Carter und Robin Haug in „Die Piraten von Penzance“

Wie die Gratwanderung zwischen Klamauk und echtem Pathos gelingt

Regisseur K.D. Schmidt nimmt die ebenso geniale wie hanebüchene Story um den Piratenazubi Frederic und die Generalmajorstochter Mabel als Steilvorlage. Mutwillig und entschlossen bedient Schmidt sämtliche Klischees, die das Stück hergibt. So stolpert denn der Berufsanwärter in Sachen Freibeuterei mitten durch den Konflikt zwischen den ihm lehrvertraglich auferlegten Pflichten und seiner Neigung zur wenig viktorianisch-prüden und durchaus couragierten Mabel, dass es eine Lust ist. Zwischen Fechtszenen und weiteren, doch für einen Berufsanwärter eher ungewöhnlichen Obliegenheiten wie an seine Kollegen gerichtete Jobanalysen und Moralpredigten, bleibt Frederic Zeit für ein inniges Duett mit Mabel direkt unterm Mond. Mag die Liebe eine Himmelsmacht sein, bei Schmidt breiten statt Engeln Riesenmotten ihre Schwingen über das Paar.

Mark Watson Williams in „Die Piraten von Penzance“
Mark Watson Williams in „Die Piraten von Penzance“

Immer wieder formiert sich die Personnage zu Ensembles und gar Tableaus wie aus dem Regiehandbuch für die Werke etwa Verdis und Gounods. Das ist bisweilen nicht völlig unernst gemeint. Wenn Soli und Chor ihre Hymne an die Poesie zelebrieren, gelingt jene schwierige Gratwanderung zwischen Klamauk und echtem Pathos samt sogar wahren Empfindungen, wie sie Gilbert und Sullivan nicht nur an dieser Stelle vorsehen. Alles dies verlegt Peter Engel in einen mit Gewölk bepinselten Raum, der sich durch raschen Austausch der Versatzstücke von der Hafenspelunke zur Strandpromenade oder in einen nächtlichen Friedhof verwandeln kann. Selbstredend betritt kein gestandener Pirat den Schauplatz durch Tor oder Tür. Der Seeräuber von Welt reist überallhin zu Schiff, selbst wenn er dazu die Mauern seiner Stammkneipe mit dem Bug als Rammsporn durchbrechen muss. Lucia Vonrheins Kostüme treiben allerlei Schabernack mit den modisch bizarren Vorlieben des Piratenstandes wie auch denen viktorianischer Damen.

Orchester und Ensemble auf Kaperfahrt

Bezwingend wie die szenische auch die musikalische Seite. Spielfreudig und vokal bestens aufgelegt begeben sich unter Sebastian Hernandez-Laverny die Herren des Mainzer Staatstheaterchors auf Kaperfahrt und die Damen mitten ins Geschnatter der generalmajorlichen Töchterriege. Vom Pult aus legt sich Samuel Hogarth für seine britischen Landsleute Gilbert und Sullivan ins Zeug. Das Mainzer Staatsorchester folgt ihm höchst animiert. Der Klangkörper beweist nicht allein Sensorium für die überbordende Ironie der Partitur. Jene Passagen, in denen Sullivan Schalk und Ernst bis zur Ununterscheidbarkeit vermischt, bleiben reizvoll in der Schwebe.

Alexandra Samouilidou und Mark Watson Williams in „Die Piraten von Penzance“
Alexandra Samouilidou und Mark Watson Williams in „Die Piraten von Penzance“

Mark Watson Williams nimmt für Piratenazubi Frederic ein. Watson Williams führt seinen ebenso schlanken wie flexiblen und – wenn nötig – erstaunlich kernhaften und strahlkräftigen Tenor durch eine Partie, die bis hin zu den Anforderungen der opéra comique reicht. Das französische Repertoire müsste ihm liegen. Alexandra Samouilidou verkörpert eine charmant-selbstbewusste, koloraturfertige, überhaupt brillant höhensichere und zur vokalen Attacke fähige Mabel. Als Edith aus der Schwesternschar lässt Maren Schwier mit gewandten Koloraturen aufhorchen. Alexander Spemann gibt den skurrilen und sanglich rekordverdächtig silbenflinken Generalmajor Stanley. Vokal wie spielerisch wirft Brett Carter den Piratenkönig in raumgreifende Positur. Ihren satten Mezzosopran bietet Katja Ladentin für Frederics einstiges Kindermädchen und dann spätberufene Piratin Ruth auf. Auch alle weiteren Solistinnen und Solisten tragen zur runden Ensembleleistung bei.

Staatstheater Mainz
Gilbert und Sullivan: Die Piraten von Penzance

Samuel Hogarth (Leitung), K.D. Schmidt (Regie), Peter Engel (Bühne), Lucia Vonrhein (Kostüme), Richard Weber (Choreografie), Sebastian Hernandez-Laverny (Chor), Brett Carter, Mark Watson Williams, Katja Ladentin, Alexander Spemann, Alexandra Samouilidou, Maren Schwier, Verena Tönjes, Anke Trittin, Dennis Sörös, Scott Ingham, Robin Haug, Paul Ziehmer, Chor des Staatstheaters Mainz, Philharmonisches Staatsorchester Mainz

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