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Opern-Kritik: Theater Krefeld und Mönchengladbach – Roméo et Juliette

Liebestod im Hallenbad

(Krefeld, 15.11.2025) Regisseur Jan Eßinger und Bühnenbildnerin Benita Roth verlegen den Schauplatz der Tragödie um das größte Liebespaar aller Zeiten in den lost space einer aufgegebenen Schwimmhalle. Das funktioniert bestens. Mihkel Kütson entlockt den Niederrheinischen Sinfonikern dazu alle der Partitur innewohnenden Vorzüge.

vonMichael Kaminski,

Die Geschichte des Liebespaares schlechthin ist zeitlos, sie kann sich daher wann auch immer zutragen. Nicht geschichtliche Tatsachen sind von Belang, allein entscheidend ist die sich über alle Widerstände hinwegsetzende wechselseitige Anziehung. Kaum weniger akzidentiell als die Datierung ist der Ort, an dem das Paar zugrunde geht. Und so mag denn jene längst aufgegebene Schwimmhalle, die Benita Roth auf Krefelds Bühne stellt, als Schauplatz für Charles Gounods „Roméo et Juliette“, der Tragödie schlechthin, gelten. Zumal dreh- und verschiebbare Wände ohne weiteres erlauben, Festsaal und Balkon, Kirche und Gruft zu imaginieren.

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Unversehens gerät daher der lost place des leerstehenden Hallenbades zum Erinnerungsraum, in dem das Gedächtnis stützende Requisiten in einem Turm aus Schließfächern lagern. Ihrer bedient sich Queen Mab, die in Mercutios Arie als Feindin der Realität verklagte Herrscherin über die Träume, um den Liebestraum des Paares mit tödlicher Konsequenz zu befeuern. Mercutios Verdikt stellt Regisseur Jan Eßinger das Walten der Feenkönigin als die Bedingung der Möglichkeit von des Paares Zusammenfinden gegenüber. Was die Realität niemals zugelassen hätte, der Traum billigt es. Dort darf aus allem alles werden. Selbst Zeitreisen steht nun am Theater Krefeld und Mönchengladbach nichts entgegen.

Auf Zeitreise: Diese Geschichte kann sich wann auch immer zutragen.

Umstandslos durchmessen daher die Liebenden von Szene zu Szene das Säkulum von den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis ins Heute, mithin von der Charleston-Party bis zu den modischen Vorlieben der Gegenwart. Gelegentliche Ironie kann sich dabei Kostümbildnerin Marie-Luise Otto nicht verkneifen. Weder beim Elvis-Outfit für Frère Laurent, noch bei den die achtziger Jahre zitierenden Trainingsanzügen für die Herren des Chores.

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Szenenbild aus „Roméo et Juliette“
Szenenbild aus „Roméo et Juliette“

Brillante Orchester- und Sangesleistungen

Gewinnend wie die szenische, gestaltet sich die musikalische Seite dieser Erstaufführung am niederrheinischen Zwei-Städte-Institut. Unter Michael Preiser kostet der Chor des Hauses seine dankbare Partie weidlich aus. Aus dem Graben tönt Hochklassiges. Mihkel Kütson entlockt den Niederrheinischen Sinfonikern die der Partitur innewohnenden Vorzüge: dramatische Ballungen, lyrische Emphase, nie kitschverdächtiges Sentiment und nicht zuletzt Eleganz. Die Streicher sind superbe, das Blech beweist Effektsicherheit im Verein mit Kultiviertheit.

Überragend verkörpert Sophie Witte die weibliche Titelfigur. Ihre Koloraturen verwandelt Witte in Psychologie. Juliettes Ängste vor Einnahme des Tiefschlaf-Tranks erlangen beklemmende Präsenz. Der Roméo von Bryan Lopez Gonzalez vermag spielerisch zu überzeugen, stimmlich erzielt Gonzalez Annäherungswerte an seine Partie. Den Höhen fehlt es an Strahlkraft. Matthias Wippich verleiht seinem Frère Laurent Bassautorität und Empathie für die Liebenden. Unbedingt aufhorchen lässt der Mercutio von Jeconiah Retulla aus dem Opernstudio Niederrhein. Mit den Genannten vereinen sich alle weiteren Solistinnen und Solisten zur famosen Ensembleleistung.      

Theater Krefeld und Mönchengladbach
Gounod: Roméo et Juliette   

Mihkel Kütson (Leitung), Jan Eßinger (Regie), Benita Roth (Bühne), Marie-Luise Otto (Kostüme), Michael Preiser (Chor), Sophie Witte, Bryan Lopez Gonzalez, Jeconiah Retulla, Hayk Deinyan, Ramon Mundin, Eva Maria Günschmann, Susanne Seefing, Rafael Bruck, Gereon Grundmann, Matthias Wippich, Chanyang Choi, Christoph Mühlen, Niederrheinische Sinfoniker, Chor des Theaters Krefeld und Mönchengladbach






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