Porträt Grand Théâtre de Genève

Neuer alter Opernglanz

Intendant Tobias Richter feiert mit Wagners „Der Ring des Nibelungen“ die festliche Wiedereröffnung des stolzen Grand Théâtre de Genève.

© Fabien Bergerat/Grand Theatre de Geneve

Opernhaus Genf – Grand Theâtre de Genève

Opernhaus Genf – Grand Theâtre de Genève

Hier ist wirklich alles Gold, was glänzt. Der aristokratische, wenn nicht royale Nimbus eines Opernhauses, das im 19. Jahrhundert von Architekt Jacques-Elysée Goss dem prunkvollen Pariser Palais Garnier im Second Empire Stil nachempfunden wurde, ist jetzt endlich wieder vollends spürbar. Denn nach dem Brand von 1951 waren zur Wiederherstellung von 1962 manche erhalten gebliebene Malereien einfach zugegipst worden.

© Fabien Bergerat/Grand Theatre de Geneve

Opernhaus Genf – Grand Theâtre de Genève, Großes Foyer

Opernhaus Genf – Grand Theâtre de Genève, Großes Foyer

Ganze drei Jahre dauerte die jetzige Sanierungsphase, die siebzig Millionen Schweizer Franken verschlungen hat und deren Ende nun mit einem zentralen Prestigeprojekt der Intendanz von Tobias Richter gefeiert wird: Wagners Der Ring des Nibelungen kommt in gleich drei kompletten Zyklen auf die Bühne des Grand Théâtre de Génève. Dramaturgisch passender könnte die Werkwahl zur Wiedereröffnung kaum sein, werden Schein und Sein von Gold, Macht und Menschsein doch nirgends tiefschürfender hinterfragt als in Richard Wagners Tetralogie.

Jürgen Rose und Dieter Dorn studieren ihre vielbeachtete Inszenierung dazu eigens neu ein, der scheidende Kieler Generalmusikdirektor Georg Fritzsch wird seine Wagner-Expertise erstmals am Pult des Orchestre de la Suisse Romande unter Beweis stellen, das der berühmte Schweizer Maestro Armin Jordan einst zu einem der profiliertesten Klangkörper fürs Spätromantische zusammenschweißte. Als „Theater pur“ umschreibt Tobias Richter die Arbeit des altmeisterlichen Regieteams, das ausgehend von einer leeren Bühne in „Das Rheingold“ den Raum mit allen Ingredienzien des Zaubers versorgt, um mit dem Finale der Götterdämmerung wieder zur theatralischen Stunde Null einer utopisch leeren Bühne zu gelangen.

© Carole Parodi

Szenenbild aus "Rheingold"

Rheingold/Grand Théâtre de Genève

Genf – die kleinste der internationalen Weltstädte

Petra Lang, Bayreuths Isolde, führt als Brünnhilde die handverlesene Sängerbesetzung an. Tobias Richter höchstselbst hat den Cast zusammengestellt. Der Deutschschweizer, Sohn des legendären Leiters des Münchner Bachchores, Karl Richter, und einstiger Assistent von Götz Friedrich, steht nun selbst schon seit 1982 Opernhäusern vor und bekennt schmunzelnd, es sei „schwerer Intendant zu bleiben, als es zu werden.“ Als eine der letzten umfassend gebildeten Vaterfiguren des Opernbetriebs weiß er, wie man Ensembles formt, ihnen für die Dauer einer Produktion ein Familiengefühl vermittelt – zur Dernière gibt der Chef stets auf der Bühne Champagner für alle aus, und wie man als klug sensibler Verführer ein Publikum bindet, das nach dem ersten Erlebnis einer Inszenierung unbedingt wiederkommen will: „Paris als geistiges Zentrum spielt auch hier in Genf eine Rolle. Aber wir sind kein französisches Theater, sondern ein romanisch-lateinisches. Die Identität ist hier eine ganz eigene. Genf ist die kleinste der internationalen Weltstädte.“

Wer in den vergangenen drei Spielzeiten das akustisch exquisite provisorische Holztheater der Opéra des Nations besuchen durfte, die Richter nur einen Steinwurf entfernt vom Stammsitz der Vereinten Nationen als Interimsspielstätte auf eine grüne Wiese gestellt hat, erinnert sich gern an das muntere Sprachwirrwarr im waldduftenden Foyer, an die ideale Mischung aus der feinen Gesellschaft alten Westschweizer Bürgertums und zeitweise zugezogener Diplomaten sowie der hier ganz neu fürs Musiktheater entflammten jungen Turnschuhfraktion.

© Fabien Bergerat/Grand Theatre de Geneve

Opernhaus Genf – Grand Theâtre de Genève, Deckenfresko im Foyer

Opernhaus Genf – Grand Theâtre de Genève, Deckenfresko im Foyer

Wiederholungstäter auf 
dem Regiestuhl

Der gewagte Wechsel von der feinen Rive gauche der Altstadt, wo das Grande Théâtre an der Place Neuve prangt, ans rechte Ufer des Genfer Sees mit seinen weniger hochkulturaffinen Multikulti-Stadtteilen hat Hemmschwellen abgebaut und Zugänge zu einer angeblich elitären Kunstform geschaffen. Das neue Publikum hat angebissen und wird nun hoffentlich ebenso neugierig den Rückumzug ans andere Ufer mitmachen wie die angestammten Opernfans, die in Genf kein reines Regietheater deutscher Bauart goutieren, sondern im Sinne der romanischen Tradition des Hauses „Oper eben auch als kulinarische Kunstform verstehen“, wie Richter betont. Das Publikum erwartet die Besten der internationalen Sängerszene, und die Politik ist bereit, die Mittel dafür zur Verfügung zu stellen.

© Carole Parodi

Szenenbild aus "Götterdämmerung"

Götterdämmerung/Grand Théâtre de Genève

Als Synthese, ja Spagat zwischen der deutschen und französischen Szene hat Tobias Richter die Bedeutung des Gesangs ernst genommen und einen eigenen Regiestil entwickelt – weniger durch einen Kessel bunter Inszenierungen oder extreme Experimente als durch die Wiedereinladung von Regisseuren, deren Art des Geschichtenerzählens er vertraut. David Bösch, sonst regelmäßig an der Bayerischen Staatsoper in München zu Gast, gehört zu diesen erfolgreichen Wiederholungstätern.

Der Neue am Grand Théâtre de Genève

Mit dem neuen alten Glanz des Grand Théâtre hat Richter sein Haus bestens bestellt. Denn auch die Arbeitsbedingungen durch erweiterte Proben- und Büroräume, ein neues Lüftungssystem und eine moderne Sicherheitstechnik sind nun auf der Höhe der Zeit. Er übergibt das Genfer Opernhaus, das stolze 30 Prozent seines Budgets selbst erwirtschaftet, im Herbst an seinen Nachfolger, den gebürtigen Züricher und seit zehn Jahren in Antwerpen wirkenden Aviel Cahn.

Sehen Sie hier den Trailer zu Donizettis „Viva la mamma!“ am Grand Théâtre de Genève:

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Mehr Informationen

concerti-Tipp

Wagner: Das Rheingold
Di. 12.2., 19:30 Uhr
Grand Théâtre de Genève
Georg Fritzsch (Leitung), Dieter Dorn (Regie)
weitere Termine: 5. & 12.3.

Wagner: Die Walküre
Mi. 13.2., 18:00 Uhr
Grand Théâtre de Genève
Georg Fritzsch (Leitung), Dieter Dorn (Regie)
weitere Termine: 6. & 13.3.

Wagner: Siegfried
Fr. 15.2., 18:00 Uhr
Grand Théâtre de Genève
Georg Fritzsch (Leitung), Dieter Dorn (Regie)
weitere Termine: 8. & 15.3.

Wagner: Götterdämmerung
So. 17.2., 15:00 Uhr
Grand Théâtre de Genève
Georg Fritzsch (Leitung), Dieter Dorn (Regie)
weitere Termine: 10. & 17.3.

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