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Porträt Elena Bashkirova

Interpretin und Netzwerkerin

Die Pianistin Elena Bashkirova über Familientraditionen und die russische Identität.

vonJakob Buhre,

Mehr als ein Jahrhundert schon zieht sich das Klavier durch die Familiengeschichte von Elena Bashkirova. Da ist zunächst ihr Vater Dmitri Bashkirov, Pianist und bedeutender Klavierlehrer, der bereits in den 50er Jahren begann, am Moskauer Konservatorium zu unterrichten, und zu dessen späteren Schülern unter anderem Arcadi Volodos gehörte. Bashkirov selbst wiederum berichtete zuletzt in einem Interview von seiner Großmutter, die wiederum in Berlin Klavier studierte, also dort, wo heute Elena Bashkirova zuhause ist.

Inspiration durch ihren Mann Daniel Barenboim

 

Dmitri Bashkirov lehrt noch immer. „Er ist ein wunderbar Mensch, voller Energie“, schwärmt seine Tochter. „Das Alter scheint ihn gar nicht zu kümmern, er hat immer noch Schüler und brennt für seine Sache.“ Auch die 1958 geborene Elena lernte einst bei ihrem Vater. „Bei mir hat es allerdings ein wenig gedauert, bis ich angefangen habe. Denn als Kind hatte ich auch viele andere Interessen, ich wollte Theater machen, Kunst und Bildhauerei. Mit 15 sagte mein Vater dann zu mir: Wenn ich bei ihm studieren möchte, dann muss ich alles andere auf die Seite tun. Ich habe mir dann ein Jahr Zeit gegeben, um es auszuprobieren – und dann habe ich Blut geleckt.“

Das Studium beendete sie allerdings nicht, 1978 entschied sie sich, zusammen mit ihrem ersten Mann, dem Geiger Gidon Kremer, die Sowjetunion zu verlassen, zunächst in Richtung Paris. Später lernte sie Daniel Barenboim kennen, den sie 1988 heiratete, seit 1992 lebt das Künstlerpaar in Berlin. In gewisser Weise sei auch ihr Mann ein wichtiger Lehrer, sagt sie. „Er ist natürlich meine beste Quelle, wenn ich etwas einstudiere. Dann diskutieren wir viel darüber, weniger über pianistische Dinge, sondern über allgemein musikalische Fragen. Er kennt jedes Stück sehr gut, es ist so, als wenn man Auto fahren würde, dabei schaut er aber nicht durch die Windschutzscheibe sondern wie ein Satellit von oben auf die Landkarte. Er hat das Werk immer in der Gesamtheit, in seiner ganzen Struktur im Blick.“

Neben ihren Engagements als Solistin bei den großen Sinfonieorchestern oder als Liedbegleiterin von Anna Netrebko und Robert Holl widmet sich Bashkirova vor allem der Kammermusik. Und das nicht nur als Interpretin, sondern auch als Netzwerkerin. Ihre Kontakte zu Musikern in der ganzen Welt nutzte sie, um 1997 das „Jerusalem Chamber Music Festival“ ins Leben zu rufen, welches sich seitdem fest in der israelischen Hauptstadt etabliert hat. Zudem startete sie 2012 mit „Intonations“ einen Festival-Ableger im Berliner Jüdischen Museum.

Entfremdung von der russischen Heimat

Sie reist auch regelmäßig für Konzerte nach Russland – doch in der einstigen Heimat zu leben, kann sie sich nicht mehr vorstellen. „Das ist lang her, ich bin aus Russland weg, als ich noch sehr jung war. Und heute erkenne ich das Land zum Teil nicht wieder. Meine Heimat ist mehr die russische Kultur, die Musik, Kunst und Literatur und weniger die nationale Identität.“

Am Klavier fühlt sich Bashkirova am wohlsten bei Mozart, Beethoven, Brahms und Schumann – „das sind meine Leute!“ Doch auch Tschaikowsky habe sie gerade für sich wiederentdeckt, erzählt die Pianistin. „Ich habe vor kurzem die Jahreszeiten von Tschaikowsky gespielt, zum ersten Mal. Und ich habe mich richtig in dieses Werk verliebt. In diesem Zyklus steckt sehr viel von Tschaikowsky drin, von seinen Liedern, seinen Opern und Sinfonien.“

Auf das jüngst von Gidon Kremer organisierte Gedenkkonzert „To Russia With Love“ schaut Elena Bashkirova indes mit gemischten Gefühlen. „Das ist sicher eine wichtige moralische Unterstützung für die Menschen, die in Russland unterdrückt werden oder im Gefängnis sitzen. Doch auf die Regierung wird das keinen Einfluss haben, ich denke, die Leute ‚dort oben‘ sind sehr zynisch, so ein Konzert spielt für sie gar keine Rolle. Aber nichtsdestotrotz ist es wichtig, sich zu engagieren. Es ist gut, wenn die Musiker nicht einfach nur in ihren Ecken sitzen, sondern über das rein Berufliche hinausgehen – da sollte jeder tun, was er kann.“

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