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Porträt Leonidas Kavakos

Kein Mann für Kompromisse

Leonidas Kavakos ist ein Violinist, den man ernst nehmen muss

vonVolker Tarnow,

Distanziert und fast mürrisch betritt Leonidas Kavakos den Saal. Das Publikum: ein hustender Störfaktor. Der Solist: unwichtig. Es geht nur um die Musik, alles andere sind Äußerlichkeiten, die ihn nicht interessieren. In der Ablehnung von Äußerlichkeiten kann Kavakos ziemlich weit gehen, weiter jedenfalls, als es PR-Strategen für opportun halten. Klassik-Künstler seien keine Popstars, ließ der griechische Geiger und Dirigent noch vor drei Jahren verlauten, über den Kauf ihrer Aufnahmen entscheide nicht das Cover.

Verglichen mit den Hochglanzorgien vieler Kollegen und vor allem Kolleginnen wirken Kavakos’ Cover in der Tat abschreckend altertümlich. Auf einer CD des Labels Delos, veröffentlicht 1992, sieht er aus wie ein jüngerer Bruder Horst Schlämmers, in Szene gesetzt von einem mazedonischen Hobbyknipser. Aber hinter dem Outfit, das keines ist, verbirgt sich ein Schatzkästlein entzückend raffinierter Miniaturen von Fritz Kreisler und Niccolò Paganini (die beiden komponierenden Geiger sind ebenso wie Eugène Ysaÿe Fixsterne im Kavakos-Kosmos). Auch die 24 Paganini-Capricen (1994) und die Ysaÿe-Solosonaten (1999) ließen kein Designerherz höher schlagen – aber sie trugen ebenfalls zum Ruf eines Geigers von nachgerade sensationeller Technik und Musikalität bei. Selbst Schnauzer und Kassenbrille konnten seinen Erfolg nicht aufhalten.

Leonidas Kavakos hatte 1985 den Sibelius-Preis gewonnen und 1988 den Paganini-Preis. 1996 folgte sein schicksalhaftes Debüt bei der Camerata Salzburg – im letzten Konzert unter Sándor Véghs Leitung. Er konnte hier Lektionen fortsetzen, die er schon als Jugendlicher von seinem Lehrer in Athen erhalten hatte: Musik als humanistische Botschaft, nicht als Zirkus oder Geschäft. Es entwickelte sich eine enge Beziehung zu dem Salzburger Orchester; 2002 wurde Kavakos zum Principal Guest Artist ernannt, 2007 übernahm er die künstlerische Leitung, agierte also zunehmend, und zwar zunehmend erfolgreich, auch als Dirigent.

Trotz zahlreicher Lorbeeren endete jedoch die Zusammenarbeit schon zwei Jahre später. Kavakos, kein Mann für Kompromisse, konnte das interne Orchesterchaos nicht ertragen. Er beklagte die Instabilität in der Verwaltung („sechs verschiedene Manager in sieben Jahren“) und fühlte sich hintergangen, als die Musiker dem Vorstand ihr Misstrauen aussprachen. Karriere habe ihn noch nie interessiert, sagt Kavakos gern. Wenn etwas seinen künstlerischen Überzeugungen zuwider läuft, zieht er schnell die Reißleine. Diese Haltung, dieses Musizieren ohne Mätzchen, ohne Zugeständnisse vermittelt sich auch in jedem seiner Konzerte. Nicht zuletzt deswegen gehört Kavakos heute zu den wirklich wenigen Violinisten, die man nicht ernst genug nehmen kann.

Sein Repertoire ist traditionell ausgerichtet. Moderne Musik spielt er nur, wenn es sich um Ausdrucksmusik handelt. Henze, Schnittke und Mansurian gehören zu den ausgesuchten zeitgenössischen Tonsetzern, die er aufführt; im nächsten Jahr wird er ein Violinkonzert von Osvaldo Golijov aus der Taufe heben. Obwohl Vater und Großvater Volksmusiker waren, hielt man ihn von dieser vermeintlich minderwertigen Tradition fern. Auch klassische griechische Komponisten sind bislang nicht sein Fall. Von kleinen osteuropäischen Ausflügen abgesehen (Enescu, Szymanowski) bietet Leonidas Kavakos vor allem Kernrepertoire. Und nach einer Langhaarphase nun auch ein marketinggerechtes Erscheinungsbild. Als Musiker ist er so eigenwillig und kompromisslos wie eh und je.

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