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PORTRÄT VADIM REPIN

Tradition erhalten und erschaffen

Wie sich Vadim Repin in den Dienst des Komponisten stellt

vonJakob Buhre,

Studiert man seinen Konzertkalender, kann man feststellen, dass sich der russische Geiger Vadim Repin sowohl um die Zeitgenossen als auch um die Klassiker intensiv bemüht. Zwischen Tschaikowsky, Brahms und Sibelius findet sich zum Beispiel mehrfach das Violinkonzert des schottischen Komponisten James MacMillan. Repin hat es im Mai 2010 mit dem London Symphony Orchestra uraufgeführt, und nimmt es bis heute mit auf Reisen.

„Als klassische Musiker müssen wir normalerweise stilistischen Regeln folgen und versuchen, den Klassizismus in den Werken zu erhalten. Wenn ich aber so etwas spiele wie das MacMillan-Concerto, gibt es eine enorme Freiheit, der Phantasie freien Lauf zu lassen. Du machst unerwartete Dinge, mit der Erlaubnis des Komponisten, und du bist dabei der erste. Das ist ein aufregender Moment, weil man selbst eine Tradition kreiert. Es ist auch spannend, so viel Zeit mit dem Komponisten zu verbringen und ihm so viele Fragen zu stellen, wie man möchte.“ Dabei trägt Repin auch aktiv zur Verbreitung des Stücks bei, über Gespräche mit befreundeten Musikern. „Ich habe bereits von einigen Kollegen gehört, die es für ihre nächsten Konzerte eingeplant haben, was mich natürlich freut.“

Der in sibirischen Nowosibirsk geborene Geiger ist heute 40 Jahre alt, in allen Konzertmetropolen ein gern gehörter Gast – und das seit dem Teenageralter. Beim Debüt in der Carnegie Hall war er gerade 15 Jahre alt. Zur gleichen Zeit erschien seine erste CD-Aufnahme, Grundstein einer umfangreichen Diskographie – und als die Süddeutsche Zeitung 2006 eine CD-Sammlung von 16 „Jahrhundert-Geigern“ herausbrachte, war Repin einer von ihnen.

Sein Spiel ist innig, aber nie übertrieben, ausdrucksstark – und es zeugt stets von einer großen Achtung des Komponisten und der Tradition. „Wenn ich klassisches Repertoire spiele, versuche ich herauszukriegen, was der Komponist im Kopf hatte, als er es geschrieben hat.“ Eine Interpretation benötige immer eine logische Begründung, sagt er, „nehmen wir die Tempi bei Mozart: Ich könnte mir nicht vorstellen, ohne irgendeinen ganz besonderen Grund das Tempo zu ändern.“

Hier zeigt sich auch der Einfluss seines Lehrers Zakhar Bron, der auch schon Daniel Hope und Maxim Vengerov zu Weltruhm verhalf und der sich auf eine Traditionslinie beruft, die bis in das 19. Jahrhundert zurückreicht; bis zu jener Zeit, als am Petersburger Konservatorium Leopold Auer unterrichtete, der noch mit Tschaikowsky und Rimski-Korsakow zusammenarbeitete.

„Ich bin sehr klassisch eingestellt, was das Violinspiel anbelangt. Ich würde das Tschaikowsky-Konzert nicht zu moderner Musik machen, nur um damit vielleicht mehr Aufmerksamkeit zu bekommen. So, wie Tschaikowsky sich das Konzert vorgestellt hat, hat es seine Berechtigung. Die Partitur ist immer noch das wichtigste Dokument, auf das man als Interpret zurückkommen muss.“

Repins Spiellust werde auch nicht geschmälert, wenn es um Standardrepertoire geht. „Ich habe die Brahms-, Tschaikowsky- oder Sibelius-Konzerte schon so oft gespielt, aber jedes Mal erschaffen diese Werke in mir einen emotionalen Tsunami. Natürlich freue ich mich darauf, ein Konzert nochmal zu interpretieren. In jeder Kunstform, sei es Singen, Tanzen oder ein Instrument spielen, ist das klassische Repertoire das schwierigste, weil es das am meisten transparente ist. Da kannst du dich nicht verstecken.“

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