Mit seiner „Iconographie“ lädt Jean-Michel Nectoux dazu ein, auf visuelle Weise in Gabriel Faurés gut dokumentiertes Leben einzutauchen. An der Wende zum 20. Jahrhundert war Fauré, dessen 100. Todestag im November letzten Jahres gefeiert wurde, eine Ausnahmeerscheinung. Wer damals als Komponist Ruhm erlangen wollte, schrieb Orchestermusik. Fauré mied sie, und doch wurde er berühmt: als Kirchenmusiker, Kompositionsprofessor und Salonnier mit Faible für Kammermusik. Nectoux erzählt die Entwicklung des Künstlers als Folge unzähliger Ereignisse. Diese beleuchten einzelne Facetten und fügen sich doch zum chronologischen Gesamtbild eines Fin-de-Siècle-Komponisten, der in der Form stets die Tradition beibehielt, in der Wirkung aber die Erneuerung suchte.
Ein Lebenswerk in Bildern
Sinnbildlich dafür stehen die Deckblätter seiner Erstausgaben, die sich vom Historismus über den Jugendstil bis zur Moderne entwickeln. Ein wesentlicher Teil des Bandes widmet sich Fauré selbst – in Zeichnungen, Gemälden und vor allem Fotografien. Sie zeigen ihn als Familienvater, mit seinen Freunden in einer Proust’schen Welt des Salons oder als Mann von Welt, stilsicher mit Stock und Zigarette. Als faszinierende Persönlichkeit mit „origineller“ Physiognomie tritt er uns ebenso entgegen wie in den Spiegelungen seiner Frauenbeziehungen und seiner Selbstdarstellung. Für alle, die einen neuen Zugang zum Komponisten suchen und in dessen Lebenswelt eintauchen möchten, ist dieser Band ein Schatz.

Gabriel Fauré. Iconographie
Jean-Michel Nectoux
Bärenreiter, 253 Seiten
230 Euro