
Rezension Peter Eötvös – Tri sestry
Universelle Vehemenz
Tschechows „Drei Schwestern“ besetzt mit drei Countertenören? Das ist eine der individuellen Lesarten in Peter Eötvös‘ Oper „Tri sestry“.
Komponist Peter Eötvös hat mit seiner Oper „Tri sestry“ das Deutungsspektrum des Tschechow-Dramas „Drei Schwestern“ extrem ausgeweitet. Sein Kunstgriff: Sämtliche weiblichen Rollen sind mit Männern besetzt – die Partien der drei Protagonistinnen als Paraderollen für Countertenöre. So gerät die Passivität in der bleischweren Langeweile russischer Provinz zum genderübergreifenden Appell, das Leben couragiert in die Hand zu nehmen. Zu diesem Zweck spult die Oper die Geschichte wie in einem Film von Almodóvar oder Tarantino aus unterschiedlichen Perspektiven ab. Der Livemitschnitt der Frankfurter Oper hat brillante Qualität, das Geschehen kommt lebendig rüber. Die kräftigen Farbstriche, die aufgerauten Strukturen, das atmosphärische Gleißen über ostinaten Rhythmen und gestisch wogenden Flächen, das Feuerwerk unterschiedlicher musikalischer Idiome, auch bewusst lukullische Facetten, das alles entfaltet einen spannenden Stimmungszauber, dessen Sog einen packt. Das Geheimnis dahinter: Alle, wirklich alle Beteiligten sind mit Vehemenz und Ambition bei der Sache.
© Marco Borggreve/hr

Peter Eötvös
Peter Eötvös: Tri sestry
Ray Chenez (Irina), David DQ Lee (Masha), Dmitry Egorov (Olga) u. a., Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Dennis Russell Davies & Nikolai Petersen (Leitung)
Oehms
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