Wegweisend, visionär und dem Zeitgeist voraus könnte man das Neapel des 17. Jahrhunderts im Bezug auf die Entwicklung der Oper bezeichnen. Dies lag vor allem an einer Gruppe spätbarocker Komponisten, zu deren innerem Zirkel auch Leonardo Vinci gehörte. Sein Ruf als herausragender Schöpfer großer Bühnenwerke reichte weit über die Ländergrenzen hinaus. Selbst Mozart zählte zu seinen Bewunderern. Auch nach seinem Tod im Jahr 1730 blieben Leonardo Vincis Opern auf den Spielplänen vertreten, was als weiteres Anzeichen seiner enormen Popularität gedeutet werden kann. Einzig sein Oratorium zu Ehren der Rosenkranzmadonna verschwand sofort aus dem Fokus des Interesses. Überliefert ist jenes Stück lediglich in einer einzigen Handschrift, zudem wurde das Oratorium seit seiner Entstehung im Jahr 1723 nicht mehr aufgeführt.
Für eine Wiederaufführung also denkbar schlechte Voraussetzungen. Es sei denn, man engagiert eigens auf derartige Problemstellungen spezialisierte Experten – in diesem Fall das 2014 gegründete Alte-Musik-Ensemble Arsenale Sonoro, das musikalische Schätze des Barock mit Akribie, Leidenschaft und Forschergeist wiederbelebt. Erstmals nach seiner Uraufführung ist es so möglich, das „Oratorio per la Madonna del Rosario“ in der Hamburger Laeiszhalle zu erleben, wo es zum Auftakt des Festivals „Viva Napoli“ unter der Leitung von Boris Begelman nun wieder erklingt.